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Kultur: Maigefühle

Midlife? Krise? Theater? Man trifft sich in Berlin

45 Jahre Theatertreffen, das ist ein Leben. Ein second life, aber im realen Raum. Das Theatertreffen war (fast) immer mehr als Theater, eben so, wie man sich Theater erhofft – umstrittener, exponierter, auch erhabener manchmal als der Bühnenalltag. Und so lange man über das Theatertreffen, seine Jury, seine Auswahl, seine Partys, seinen Kartenverkauf (es gibt immer viel mehr Interessenten als Plätze), seine tatsächliche und gefühlte Wetterlage schimpft, so lange geht es diesem Festival gut. Wenn Midlife-Krise bedeutet, dass man alles anders machen und noch einmal von vorn beginnen will, dass die Zeit knapp wird, dann war das Theatertreffen immer schon in seiner Existenz bedroht – und reich an Aufbrüchen.

Seitdem die Welt unwiderruflich vernetzt und online ist, ist das Theater kein Reich der Illusionen mehr. Es hat, da alles andere ins Virtuelle rückt, mehr blanke Alltagswirklichkeit angenommen, als ihm bekommt. Viele empfinden das als schmerzhafte Reduktion, es fehlt das Irrationale, Fantastische, die große Erzählung, die unbedingte Emotion. Daher der Run auf die Oper, die aber, was immer vergessen wird, eine viele jüngere und auch gefährdetere Kunstform ist als das Theater. In der Oper kann man noch Klassiker „zertrümmern“. Das Theater hat diese alten Debatten hinter sich, es führt auch keine neuen. Es hat keine Zeit dafür, denn der Betrieb läuft immer schneller. Wo zum Beispiel ist Frank Castorf? Was ist geschehen, dass sein Theater heute schon Veteranenstatus genießt? Die letzten fünf jener 45 Jahre sind in einer Geschwindigkeit verzischt, wie sie Shakespeares Gestalten auf der Insel des „Sturms“ erleben, der diesjährigen Eröffnungsinszenierung.

Sie sind alle, ob sie Sebastian Nübling, Thomas Ostermeier, Michael Thalheimer, Armin Petras oder eben Stefan Pucher heißen, um und an die 45 Jahre alt oder jung – wie das Theatertreffen selbst. Mit dieser schlauen Generation von Regisseuren – oder Regietechnikern – werden wir noch lange zu tun, zu streiten haben. So viel Übereinstimmung war nie. Experiment ist Mainstream, oder wie Pucher im Interview sagt: Alles ist Pop. Irgendwann öffnet sich auch wieder mal eine Tür. Rüdiger Schaper

Rüdiger Schaper

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