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Kultur: Malen kann man alles

Die Kraft der Jugend: ein seltsames Debüt in der Berliner Galerie Jette Rudolph

Ein dubioser Künstler ist aufgetaucht. Handwerklich umsichtig, medial kompatibel zeigt der 1979 geborene Petrick-Schüler Dennis Rudolph als Debüt bei der nur zufällig gleichnamigen Galeristin Jette Rudolph penible Reinzeichnungen. Er verbindet altbekannte Techniken wie Tusche oder Grafitstift auf Papier mit einer Landser-Romantik, die der Titel „Ästhetischer Fundamentalismus oder ,Die Kraft der Jugend‘“ untermauern will. Zwar zeigt die Einladungskarte die Kopie des Porträts von Nuri ibn Sha’alan, dem allseits respektierten Beduinenfürsten um 1900, doch in der Galerie hängen vor allem Porträts von schneidigen deutschen Soldaten: schön gerahmte Landser, Offiziere, Feldherren. Der Kopist erschließt sich mit Altmeisterstilistik die Bildkultur des Militärmilieus der Dreißiger- und Vierzigerjahre.

Aus der Gruppe der versammelten Soldaten stechen die Porträts des Dichters Stefan George und seines Kreises heraus. Als hätte das zufällige Zusammentreffen von Jonathan Meese und Norbert Bisky einen Künstlerwitz gezeugt, den sie Rudolph nannten. Dieser kommt mit Retro-Ladung satt. Seine Devise heißt: „Gegen-Moderne wider besseren Wissens, warum nicht?“ Warum soll ein Künstler denn nicht SS-Offiziere, Wehrmachtsoldaten und Thing-Plätze im Strahlenkranz der Sonne zeichnen und mit dem Porträt eines Nomadenfürsten dazu einladen? Anachronismus ist auch eine Haltung zur Gegenwart.

Die Galerie bezieht das Debüt auf Raymond Pettibon und C. D. Friedrich. Eine Wahrnehmung, die Pettibons Kosmos und Friedrichs Suche arg verkürzt. Rudolph gibt die Zeitschrift „Leuchtturm“ heraus („Trete der Bewegung bei und überlass den Rest uns“) Dem Abonnementsantrag ist ein Stammbaum beizufügen. Die Hefte gleichen dem Forum eines Kreises, der Reste des Faschismus als ästhetische Disziplin wahrnimmt: Härte, Fleiß, Hygiene sind das Heil des Künstlers. Dazu passt der nassforsch nachgeahmte Ton, wie er in Burschenschaften herrscht, wo immer ein innerer Schweinehund überwunden werden muss. Lässt sich Altdeutsches und Restfaschismus als Selbstbeherrschungsideal individualisieren, gar zu Ikonen nobilitieren? Mao ohne Maoismus und Lenin ohne Ideologie geht. Warhol beweist es. Hitler hat er nicht porträtiert. Kein Glamour. Rudolph zeichnet ihn im Halbprofil mit Hakenkreuzbinde am Wehrmachtsmantel und schreibt darunter: „Malen kann man alles – aber nur wenn man fleißig übt.“ Keine Ironie, sondern Süffisanz.

Kopien als ästhetisch fundamental auszugeben ist ein Zeichen von Schlaffheit. Rudolphs naiver Historismus verbindet ihn mit Kleinmeistern, die nichts Neues zu schaffen versuchen, weil sie meinen, das Große sei schon da. Aber die markigen Heldenposen von seinen geistigen Verwandten und deren leitkulturelle Bilder Strich für Strich zu ikonisieren – wäre es kein Künstlerwitz, man müsste sich davor fürchten, was dieser Kopist noch alles wiederholen will.

Jette Rudolph, Joachimstraße 3; bis 10. August; Dienstag bis Freitag 13–19 Uhr, Sonnabend 12–16 Uhr.

Peter Herbstreuth

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