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Kultur: "Malèna": Lenden der Leidenschaft

Die Hand arbeitet unter der Bettdecke. Die Federn quietschen vor lauter Anstrengung.

Die Hand arbeitet unter der Bettdecke. Die Federn quietschen vor lauter Anstrengung. Ein nicht mehr ganz kleiner Junge hat feuchte Träume von einer schönen Frau. Es muss irgendwie trotz allem eine schöne Zeit gewesen sein, damals unter Mussolini. Behauptet jedenfalls "Malèna", der neue Film von Guiseppe Tornatore, eine Pubertätsgeschichte und noch mehr die nostalgische Phantasie eines alten Regisseurs, der sich an seine Jugend zurückerinnert. Sein Stellvertreter, der 13jährige Renato (Guiseppe Sulfaro) kommt dann immerhin schnell darauf, sein altes Metallbett zu ölen. Tornatores Film aber knarzt bis zum Ende.

Man befindet sich in einer sizilianischen Küstenstadt zwischen 1940, am Tag von Mussolinis Kriegseintritt, und 1943, als die Amerikaner die Insel erobert haben. Monica Bellucci spielt jene Malèna, die schönste Frau des Ortes. Endlos lange sieht man sie den Blicken der Herren und Jungs ausgesetzt, mit dem Hintern wackelnd durch die Straßen gehen. Auch als das zum dritten Mal geschieht, sehen wir sie mit den Augen der Männer - ein Abziehbild und als solches leere Projektionsfläche. Die Chance, als eigenständige Person sichtbar zu werden, gibt ihr der Regisseur erst gegen Ende. Da ist sie ohne eigenes Verschulden das geworden, was sie in den Augen der Anderen schon immer war: eine Hure der deutschen Besatzer, an der sich das Dorf nach Kriegsende auch stellvertretend für seine eigene Schuld bitter rächt.

Was Tornatore vorgeschwebt haben mag, ist nur in Umrissen zu ahnen: die Geschichte einer Frau nämlich, die immer Opfer ist, die das werden muss, zu dem die Umwelt sie macht. Formal und inhaltlich einlösen kann der Film diesen Gedanken nie. Zu sehr erlebt man alles aus der Perspektive des knabenhaften Voyeurs. Aber diese Perspektive hat ihr Potential schon nach dem ersten Drittel des Films ausgeschöpft. Manchmal kleidet Renato seine Träume in Kino-Phantasien, wird zu John Wayne in "Stagecoach", zu Weismullers "Tarzan" oder zu einem coolen Film-Noir-Helden - Erotik und Kino verschmelzen. Da darf man sich kurz an Tornatores Welterfolg "Cinema Paradiso" erinnern, mit dem er 1989 den Oscar gewann. Aber der Graben ist zu tief, der zwischen diesen beiden Filmen liegt.

Rüdiger Suchsland

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