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Malerei: Vor der Blüte

Pralle Palette: Die Villa Liebermann am Großen Wannsee zeigt die vor Farbenpracht explodierenden Gartenbilder von Emil Nolde und Max Liebermann.

Angesichts des derzeitigen Aprilwetters darf daran erinnert werden, dass der Kalender tatsächlich April ausweist. Es ist also nicht abzusehen, ob ein Ausflug zur Villa des Malers Max Liebermann derzeit ein Genuss wird oder ein Reinfall. Doch das gilt allein fürs Wetter. Der Besuch der Villa selbst bleibt ein Genuss.

Dort ist nämlich vom heutigen Sonntag an die Ausstellung „Max Liebermann und Emil Nolde. Gartenbilder“ zu sehen, eine geradezu explosive Zusammenstellung, so fern, wie sich die beiden Protagonisten künstlerisch – und mindestens lange Zeit auch menschlich – standen, der eine auf Seiten des gemäßigten Impressionismus, der andere auf der eines höchst individuellen Expressionismus. Indes, sie waren beide große Gartenfreunde, der eine am Großen Wannsee am Rande der Großstadt, der andere im nordfriesischen Seebüll fernab jeden urbanen Lebens. Und beide malten – Liebermann den Garten, Nolde die Blumen im Garten, was ein feiner, in der Ausstellung jedoch ins Auge springender Unterschied ist. Liebermann, der Großbürger, ließ sich einen Garten anlegen, durchdacht, gezähmt; Nolde machte das alles selbst, im steten Kampf mit dem widrigen Wetter in Küstennähe. Liebermann lässt auf allen Bildern, die er gegen 1914 im Garten zu malen begann, ein Stück Architektur, einen Weg, eine Hausecke auftauchen, Nolde hingegen rückt die Blumen farbkräftig und formatfüllend ins Bild, auch wenn er bisweilen Haus oder Himmel einbezieht.

Zwei Sichtweise, eben nicht nur stilistischer Art, sondern in der ganzen Wahrnehmung. Und eine ausgezeichnete Idee, die beiden Maler anhand ihrer Gartenbilder zu konfrontieren. Dahinter scheint eine andere Konfrontation auf, die 1910 und bis in die Folgejahre hinein ausgefochten wurde:  Noldes Anwürfe gegen den zwanzig Jahre älteren Liebermann, den Präsidenten der Berliner Secession, die dessen Rückzug zur Folge hatten, aber auch den Ausschluss Noldes. Der ganze, für die deutsche Kunst der Moderne nicht unbedeutende Konflikt ist in dem vorzüglichen Katalog ausgebreitet, der die im Umfang kleine, in der Qualität aber riesengroße Ausstellung in der Villa begleitet und eher Lektüre für einen verregneten Aprilnachmittag darstellt. Nolde, der die Secession sogar mit Klagen überzog, hat sich damals nicht eben mit Ruhm bekleckert, aber das tut seiner Kunst keinen Abbruch.

Was Liebermann malte, ist jetzt noch nicht in natura zu verfolgen, die Blumenstauden vor allem, die im straßenseitigen Nutz- oder Bauerngarten erst noch sprießen müssen. Bilder vom wasserseitigen Teil des Gartens mit Wiese, Heckengärten und der berühmten Birkenallee sind in der Ausstellung bewusst ausgespart, der Blick konzentriert sich auf die Blumen und den Komplementärkontrast Rot-Grün, den Liebermann so schätzte.

Großartig auch Noldes Farbexplosionen, beim roten Mohn, bei Dahlien und Rittersporn oder Blauer Iris. „Kaum fassbare Farben glühen“, schrieb er 1928, nachdem der Garten auf dem neuen Grundstück in Seebüll erstmals blühte.

Zwei Räume im Obergeschoss der Villa sind Liebermann gewidmet, zwei weitere Nolde; durch die Türöffnungen ist jeweils ein Hauptwerk des anderen zu sehen. Zwei Sichtweisen, die nicht zusammengehen, die jedoch beide für sich große Kunst bedeuten; auch wenn der Besucher spürt, dass in diesem Haus mit diesem Garten nur einer wirklich am Platz ist – der Hausherr selbst.

Liebermann-Villa am Wannsee, bis 20. August. Katalog bei Hirmer 20 €, im Buchhandel 34,90 €. www.liebermann-villa.de

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