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Kultur: Man muss sie streicheln

Ein

von Rüdiger Schaper

Vor nun schon einigen Jahren erlebte ein kleiner Junge am Broadway eine Enttäuschung, die so groß war, dass er sofort einschlief. „Cats“ hatte er sich gewünscht. Er wollte um alles in der Welt „Cats“ sehen. So geschah es. Sehr bald aber, die Vorstellung war noch jung, entfuhr es ihm aus tiefster Seele: Das sind keine Katzen! Das sind Leute! Und der kleine Kopf fiel schwer auf der Mutter Schulter. Ein Schock fürs Leben. So früh schon um den schönen Schein gebracht. Es war wirklich schlechtes Theater, eine verwackelte, vernutzte, heruntergenudelte RepertoireAufführung. Aber das war nicht das Drama. Wer Katzen sehen will, will kein Lloyd-Webber-Fake. Das ist nur natürlich.

Längst ruht „Cats“ auf dem Friedhof der Musical-Geschichte, und „Mamma Mia“ (mit den unverlierbaren Abba-Nummern, ohne die echten Abbas) macht die Rekorde. Die Katzen aber haben endlich New York erobert. „The Cats Theater“: Die Truppe, die von der Familie Kuklatschow gefüttert und trainiert wird, ist in Moskau zu Hause. 26 Katzen (und zwei Hunde) stehen jetzt im Tribeca Performing Arts Center auf der Bühne, der Rest der Company, 94 Vierbeiner, ist in der Heimat geblieben. Wie die „New York Times“ berichtet, sind die russischen Gäste in zwei Appartements in Brighton Beach untergebracht, wo viele russischstämmige Menschen leben und die russischen Katzen mit russischen Lebensmitteln versorgt werden.

„Katzen sind wie Schauspieler“, sagt Direktor Kuklatschow, „sie machen, was sie wollen. Manchmal verweigert eine Katze einen Trick und führt einen anderen vor.“ Ähnliches gilt für den Ablauf der Show: Kein Abend gleicht dem anderen. Eine Diva hat das „Cats Theater“ auch. Ihr Name ist Marusha. Sie ist sehr eifersüchtig. Wie man Katzen trainiert? „Man muss ihnen lange gut zureden und sie streicheln“, sagt Kuklatschow. Da seufzen die erfahrenen Menschentheater-Regisseure dieser Welt, falls sie das jetzt lesen.

Kein Zufall, das alles. War es nicht der Moskauer Meisterregisseur und Tschechow-Förderer Stanislawski, der die Dressur zweibeiniger Akteure erfand – eine Methode, die Lee Strasberg später in New York in seinem Actors Studio verfeinerte? Es schwant uns, dass dem Jungen, der sich damals um seine süßesten Erwartungen betrogen sah, nun ein weiterer harter Realitätscheck bevorsteht: Menschen sind keine Katzen. Aber Katzen sind auch nur Menschen.

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