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Marc-André Hamelin.

© picture-alliance/ dpa

Marc-André Hamelin in der Philharmonie: Mit Finesse

Eine Virtuosität, die Staunen erregt. Der Pianist Marc-André Hamelin spielt Skrjabin und Chopin im Kammermusiksaal der Philharmonie.

Voll ist der Kammermusiksaal, denn Marc-André Hamelin ist ein Star unter der seltenen Spezies des intellektuellen Virtuosen: Selbst Komponist und unermüdlicher Entdecker vernachlässigten Repertoires ist er ein Interpret, der gerade auch mit effektvoller Technik glänzende Stücke niemals bloß von außen betrachtet, sondern gleichsam von innen nacherschafft.

Vielleicht ist auch deswegen bei dem einzigen Komponisten des Programms, der selber kein Klaviervirtuose war, eine Distanz zu spüren: Haydns C-Dur Sonate Hob. XVI:48 profitiert von der Finesse seines kühlen Anschlags, der reizvoll mit dem warmen Klang des Bösendorfer kontrastiert, doch wohnt seinem Spiel gerade im „con espressione“ des Anfangssatzes ein Hauch von Spieluhrenhaftigkeit inne. Ganz in seinem Element ist er dagegen in Skrjabins „Weißer Messe“ und den Klaviersonaten des von Skrjabin beeinflussten Samuil Feinberg. Gerade Feinbergs virtuosen, rhythmisch komplexen Klanggebilden gewinnt er eine Fülle orchestraler Farben ab, während er das romantisch-melodische wie das abstrahierend geräuschhafte Moment in perfekter Balance hält.

Hamelin entfacht einen Sturm

Eine Virtuosität, die nicht nur Staunen erregt, sondern ständig Spannung aus Farbe und Struktur erzeugt, macht auch Hamelins Interpretation von Beethovens „Appassionata“ zum Ereignis. Wo andere Pianisten donnern, entfacht Hamelin einen Sturm, der in wechselnden Farben saust, braust und pfeift. Etwas schwächer gerät der langsame Mittelsatz, die Variationen sind durchaus innig gespielt, aber sie lassen das hymnische Element und einen durchgehenden Zug vermissen.

Dass man Hamelins Kunst dennoch nicht auf seinen außergewöhnlichen Umgang mit virtuosen Strukturen reduzieren kann, beweist er am Schönsten im Trauermarsch von Chopins großer b-moll Sonate: Im kantablen Mittelteil ist seine Vorsicht vor jeder oberflächlichen Gefühligkeit am richtigen Platz. So wirkt die Melodie wie die Nahaufnahme eines gefasst Trauernden, dessen gedankliches Schweifen zu vergangenen Zeiten sich nur ganz fein im Gesicht abzeichnet. Carsten Niemann

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