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Welterfahren. Bevor Marie Pierre-Langlamet zu den Berliner Philharmonikern kam, war die Harfenistin an der Oper von Nizza und an der New Yorker Met engagiert.

© Jim Rakete

Marie-Pierre Langlamet: Ohne Geduld geht nichts

Harfenistinnen sind nicht nur Finger-, sondern auch Fußvirtuosinnen: eine Begegnung mit Marie-Pierre Langlamet.

Man wünscht sich immer, erfolgreiche Künstler hätten Eitelkeit nicht nötig. Bei Marie-Pierre Langlamet ist das tatsächlich so. Im Rückblick auf ihre erstaunliche Karriere spricht die Harfenistin der Berliner Philharmoniker immer wieder von glückhaften Zufällen, von den Menschen, bei denen sie hat lernen dürfen und von der Gunst des Augenblicks. Als die Musikerin zu Beginn der 1990er Jahre die Philharmoniker in der New Yorker Carnegie Hall zum ersten Mal live erlebte, schien die einzige feste Harfenstelle auf Jahrzehnte blockiert: Der damals amtierende Solist war nur wenige Jahre älter als Langlamet.

Als die Position kurz darauf überraschend frei wurde, konnte sich die Harfenistin aus persönlichen Gründen zunächst nicht bewerben. Sie mag gar nicht daran denken, welche Lebenschance ihr entgangen wäre, hätten die Philharmoniker die Stelle nicht eine Weile unbesetzt gelassen. Das liegt nun schon fast 21 Jahre zurück, was man angesichts der jugendlichen Ausstrahlung der Französin gar nicht glauben möchte. Man glaubt ihr dagegen sofort, wenn sie feststellt: „Ich erlebe es noch heute als ein Riesenglück, in diesem Orchester spielen zu dürfen.“

Die Wahl des doch etwas exotischen Instruments, das allerdings in Frankreich ein weitaus höheres Prestige genießt als in Deutschland, ergab sich eher zufällig. „Ich wollte unbedingt ein polyphones Instrument lernen, in der Klavierklasse war damals aber gerade kein Platz frei“, erzählt die Künstlerin. Zum Glück geriet sie gleich im Alter von acht Jahren an eine hervorragende Lehrerin, die ihre jungen Schülerinnen und Schüler sofort an ein professionelles Niveau heranführte.

Die Begegnung mit den Berliner Philharmonikern und Claudio Abbado

Im Alter von 15 Jahren spielte Langlamet zum ersten Mal in einem Jugendorchester – und war von dieser Erfahrung so begeistert, dass sie sich für eine Laufbahn als Berufsmusikerin entschied. Die bereits zwei Jahre später an der Oper von Nizza angetretene Stelle gab sie kurz darauf allerdings wieder auf, um nach Studienjahren am berühmten Curtis Institute in Philadelphia schließlich ein Engagement an der Metropolitan Opera in New York anzunehmen.

Und dann folgte die Begegnung mit den Berliner Philharmonikern, die damals in New York unter der Leitung ihres frisch gekürten Chefdirigenten Claudio Abbado spielten. Von dem im Januar dieses Jahres verstorbenen Abbado spricht Marie-Pierre Langlamet mit größter Bewunderung. In den Konzerten mit ihm habe sie eine „Sternstunde nach der anderen“ erlebt. Dabei widerspricht sie der oft geäußerten Meinung, der Dirigent habe erst in den Jahren nach seiner schweren Erkrankung zu seiner eigentlichen Größe gefunden.

„Ich fand ihn immer genial“, sagt die Musikerin. Das Orchester habe sich allerdings erst an Abbados tatsächlich chaotische Probenweise gewöhnen müssen. „Aber er konnte ohne Worte mehr zeigen als fast jeder andere Dirigent.“ Mit Abbado teilt Langlamet die Zuneigung zu Gustav Mahler, aber auch die zu Claude Debussy, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die „Persönlichkeit“ ihres Instruments noch einmal neu entdeckt habe. Debussy hat die Harfe, vielleicht auch wegen seiner Naturverehrung, besonders geliebt.

Der Harfe ihre Klänge zu entlocken, erfordert die richtige Technik

Und tatsächlich vermag ja kein anderes Instrument das Rauschen und Glitzern der Wellen so unwiderstehlich in Klang zu verwandeln. Die Naturnähe täuscht allerdings leicht darüber hinweg, dass die ungefähr seit dem Jahr 1810 durchgesetzte Pedalharfe technisch außerordentlich hohe Anforderungen stellt. „Es ist ein Instrument für Menschen, die sehr viel Geduld haben“, findet Langlamet. Sehr viel Erfahrung brauche man, um der Harfe lange Resonanzen zu entlocken und die richtige „Geste“ des Anschlags zu entwickeln.

Eine besonders komplizierte technische Herausforderung ergibt sich aus den sieben Fußpedalen, mit denen sich alle 47 Saiten zweimal um jeweils einen Halbton erhöhen lassen. Harfenistinnen, deren über das Instrument fahrende Hände die Kamera so gerne dekorativ ins Bild rückt, sind also auch Fußvirtuosinnen, wobei die Tonhöhenverschiebungen in einer äußerst aufreibenden und komplizierten Probenzeit erarbeitet werden müssen. „Eine Mozart-Sonate auf der Harfe statt auf dem Klavier einzustudieren, erfordert ungefähr den zehnfachen Aufwand“, erklärt die Künstlerin.

Dabei fühlt sie sich gerade Mozart, der immerhin ein Konzert für Flöte, Harfe und Orchester hinterlassen hat, besonders verbunden. Ihre Begeisterung für dieses Repertoire hat auch historische Gründe: Die Harfe stehe klanglich den Tasteninstrumenten der Klassik viel näher als ein moderner Steinwayflügel. So hat Langlamet denn auch ein ganzes, besonders schönes Soloalbum mit Bearbeitungen von Klavierwerken Mozarts eingespielt.

Neben der Orchesterarbeit und ihrer Dozententätigkeit an der UdK bleibt Marie-Pierre Langlamet noch Zeit für die Kammermusik, oft spielt sie mit Philharmonikerkollegen wie dem Flötisten Emmanuel Pahud und dem Cellisten Ludwig Quandt zusammen, eine enge Freundschaft verbindet sie mit der Geigerin Madeleine Carruzzo. Über deren Vermittlung nimmt sie nun auch zum ersten Mal am Jerusalem Chamber Festival in Berlin und Israel teil. Neben anderem wird dann auch Debussys berühmte Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe auf dem Programm stehen.

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