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Mit Leib und Seele: Mario Adorf als Schwartz-Teitelbaum.

© dpa

Mario Adorf in "Der letzte Mentsch": Der hartnäckige Alte

Mario Adorf spielt in Pierre-Henry Salfatis "Der letzte Mentsch" einen Juden, der keiner mehr sein wollte - bis es um seine Beerdigung geht.

Marcus Schwartz, in Köln ansässig, ist ein tragikomischer Fall. Seit seiner Befreiung aus dem NS-Todeslager wollte er kein Jude mehr sein, wechselte den Namen und vergaß die Riten. Niemand weiß mehr, dass er bei Geburt Menahem Teitelbaum hieß und aus dem ungarischen Vác stammt. Nun aber will Schwartz unbedingt als Teitelbaum begraben werden. Dafür fehlen ihm allerdings die Papiere. Die Häftlingsnummer auf dem Arm, jiddische Brocken auf der Zunge – das allein reicht nicht.

Für die Reise nach Vác heuert Schwartz ein Privattaxi an. Die Fahrerin, eben 20 Jahre alt, ist eine Deutschtürkin namens Gül – und genießt erst einmal in vollen Zügen den Zwischenstopp im luxuriösen Budapester Hotel Gellért. Die Fahrt ins nahe Vác (das im Film allerdings dekorativ mitten in der Puszta liegt), gerät dann etwas holprig. Irgendwie landet man in der Donaustadt, findet zwar kein Geburtsregister mehr vor, aber auf einem Schrottplatz einen Freund aus Teitelbaums Kindheitstagen. Doch der Zeuge ist kein Jude und damit vor dem Rabbi der falsche.

Mit jüdischen Witzen vertreibt der alte Mann seiner Fahrerin die schlechte Laune – und an bitterer Komik fehlt es in dem Spielfilm ohnehin kaum. Der französische Regisseur Pierre-Henry Salfati – bekannt geworden unter anderem durch den Dokumentarfilm „Le Jazzman du Goulag“ über einen jüdischen Trompeter – adaptierte mit „Der letzte Mentsch“ sein eigenes Drehbuch. Mario Adorf, der große Bühnen- und Kinomime, gibt Schwartz-Teitelbaum mit Leib und Seele – besonders wirkungsvoll, wenn er wie gottergeben im Gras liegt und zum Himmel schaut. Ungleich weniger gelassen geistert Hannelore Elsner als fast blinde Insassin einer Psychiatrie durch die Landschaft. Auch Katharina Derr (als Gül) enttäuscht: Vor sieben Jahren gab sie, in „Beautiful Bitch“, noch mit Verve ein rumänisches Straßenkind, hier leiert sie ihre Dialoganteile nur seltsam unbeteiligt herunter.

Solitär bleibt einzig Mario Adorfs beeindruckende Verkörperung eines Menschen, der zu viel gesehen hat, um sich noch vor irgendetwas zu fürchten. Daneben ist die Kamera (Felix von Muralt) – manche Nahaufnahmen und Totalen bleiben prägnant im Gedächtnis – noch das Beste an dieser phantasmagorischen Konstruktion.
Filmkunst 66, Kulturbrauerei, Toni

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