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Kultur: Markt fördert Identität

Eine Berliner Konferenz über Kunst und Globales

Disneyfiguren erfreuen Kinder in Hisbollah-Schulen. Arnold Schwarzenegger, gemalt in den buntesten Farben, preist ein Friseurgeschäft in Ghana an. Dass Globalisierungsschübe lokale Sprache und Leitbilder verändern und dass dagegen Widerstand wächst, wissen wir nicht erst seit der Diskussion um eine Radioquote für deutschsprachige Musik und der neuerlichen Renaissance der Vokabel „Leitkultur“. Die von der Heinrich-Böll-Stiftung veranstaltete Berliner Konferenz „Identität versus Globalisierung“ widmete sich drei Tage lang dem Thema, wobei die Diskurs- und Symbolkraft speziell der bildenden Kunst im Mittelpunkt stand.

Ausgangspunkt für die Gespräche im Haus der Kulturen der Welt war der Blick auf die Bemühungen der Unesco, eine Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt noch in diesem Jahr zu verabschieden. Die zu erstreitenden Punkte laufen den Interessen der Welthandelsorganisation zuwider, denn Subventionen und Quoten für künstlerische Produkte verzerren den Wettbewerb. Der frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin wollte auf der Eröffnungsveranstaltung solch eine Dichotomie zwischen Markt und Kultur nicht zulassen: Eine vernünftige Kulturpolitik nütze dem Markt und schütze die kulturelle Vielfalt. Ohne den regulierenden Eingriff der Politik würde der Markt seine Basis zerfressen. Wie genau man sich das vorstellen kann, ließ er offen. Aber dass eine Monokultur auf Dauer nicht zur Fruchtbarkeit des Bodens beiträgt, lässt sich leicht verstehen. Langfristig sind also die internationalen Künstler, Kuratoren und Wissenschaftler Agenten des Marktes – weil sie gegen ihn streiten.

Der thailändische Menschenrechtsaktivist Chumpon Apisuk berichtete, dass er durch ein internationales Netzwerk von Künstlern schnell Hilfe für die Tsunami-Opfer organisieren konnte. Auch die Gegenüberstellung von Identität und Globalisierung erwies sich als voreilig. Die Kunstprofessorin Lydia Haustein sieht regionale Identitäten nicht als statische Gegebenheiten, sondern als osmotisch veränderbar: Weltweit mächtige Zeichen sickern in einen neuen lokalen Kontext. Durch solche dialektisch-paradoxen Erkenntnisse zerlegte die Konferenz nach und nach ihren eigenen Ansatz. Die Einsicht in den hybriden Charakter kultureller Praktiken mündete in eine Kritik der Ausstellung, in deren Kontext die Konferenz stattfand: „Positionen zeitgenössischer Kunst aus Südostasien“ im Ethnologischen Museum Berlin. Der Bezug auf regionale Identitäten kann verhängnisvoll sein, weil sie folkloristische Stereotypen reproduziert. Und als künstlerische Strategie ist das Beharren auf „Identität“ letztlich ein Widerspruch in sich selbst – da Kunst immer das Offene, das Neue sucht.

Daniel Völzke

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