zum Hauptinhalt

Kultur: Martenstein verrät die ganze Wahrheit über Filmkritiker

Die Berlinale steht diesmal ganz im Zeichen des politisch korrekten bzw. engagierten Films.

Die Berlinale steht diesmal ganz im Zeichen des politisch korrekten bzw. engagierten Films. Der erste korrekt engagierte Film lief gleich zu Beginn, es ging um Pygmäen. Beim engagierten Film muss man vor allem darauf achten, dass man nicht zu dick aufträgt! Ein bisschen Pygmäenfreundlichkeit ist gut, zu viel Pygmäenfreundlichkeit ist schlecht; dies ist die erste Lehre der Berlinale 2005.

Darf man das überhaupt sagen – Pygmäen? Eskimo sagt man ja auch nicht mehr, korrekt heißt es „Ennui“ oder so. Viele Filmkritiker wussten nach der Vorstellung nicht, ob sie in ihre Kritiken nun das Wort „Pygmäe“ hineintun dürfen oder besser eine Umschreibung. Um Verwirrung zu stiften, lief ich umher und sagte: „Korrekt heißt es Pykniker. Pygmäe ist ein Naziwort.“ Über ein bestimmtes anderes Volk kann man überhaupt keine Filme mehr machen, es ist sprachlich zu kompliziert. Ein Teil dieses Volkes sagt, der Volksname „Zigeuner“ für ihresgleichen sei rassistisch, während der andere Teil des gleichen Volkes mit dem gleichen Nachdruck erklärt, die Bezeichnung „Sinti und Roma“ sei herabsetzend, „Zigeuner“ dagegen völlig okay. Wenn man sicher gehen möchte, diese Menschen nicht in ihrer Ehre zu verletzten, nennt man sie am besten „Das Volk, das über seinen Namen noch diskutiert“.

Es heißt immer: Internationale Stars müssen her, sonst taugt eine Berlinale nichts. Ich habe die Fotos von Goldie Hawn gesehen, einem der ersten Stars, die angekommen sind. Goldie Hawn sieht exakt aus wie Udo Lindenberg, dicke Sonnenbrille, dicke Haarmatte, dicke Oberlippe. Nur ohne Hut. Vielleicht ist es tatsächlich Udo Lindenberg? In diesem Jahr können nämlich wegen der unmittelbar bevorstehenden Oscar-Verleihung besonders wenige Originalstars aus den USA kommen. Übrigens bekommt „Der Untergang“ den Oscar für den besten Hitlerfilm.

Ich bin halt sehr alt und kann mich an vieles erinnern. Kurz nach dem Krieg führte man die „D-Mark“ ein, die „Demokratie“ und den „Goldenen Bären“. Auf Grund alter Gewohnheiten hob der Goldene Bär die rechte Pfote zum Gruß. Dies fiel vielen ausländischen Berlinale-Besuchern auf. Sie dachten: „Pygmäen sind klein. Deutsche heben die rechte Hand. Zigeuner wissen nicht, wie sie heißen. Recht eigenartig sind die Völker.“ 1961 wurde die Pfote des Bären offiziell ausgetauscht. Seitdem grüßt er mit links, so kam es zu „1968“.

Martenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false