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Martin Fröst

© Mats Bäcker

Martin Fröst beim Deutschen Symphonie-Orchester: Kühle Lyrik aus dem Norden

Er wirkt beim Spielen so elegant wie ein Tänzer: Martin Fröst hat mit dem DSO Nielsens Klarinettenkonzert interpretiert, Thomas Søndergård dirigierte.

An den Bewegungen klassischer Musiker auf dem Konzertpodium scheiden sich die Geister: Möglichst ruhig, hinter die Musik zurücktretend wünschen sie sich die einen, bewegt, eins im Fluss mit den Klängen und im Groove mit den Mitmusizierenden könnten sie sich die anderen vorstellen. Klar in die zweite Kategorie fällt der Klarinettist Martin Fröst. Von den eher ungeplanten Choreografien, die vielen seiner Kollegen unterlaufen, unterscheiden sich die kontrollierten Bewegungen und Körperhaltungen, mit denen der Schwede Carl Nielsens Klarinettenkonzert darbietet, recht deutlich: Mit der Beherrschung eines Tänzers wechselt er Stand- und Spielbein, elegant sind die Drehungen um die Körperachse, und wenn er das Instrument jäh in die Höhe reißt, dann geschieht das nicht inflationär, sondern zu dem auch strukturell wichtigen Spitzenton, in dem die Dramatik des Finales kulminiert.

Bei allem lenkt Frösts bewusster Umgang mit Bewegungen nie von der Substanz der Musik ab. Mühelos wechselt er zwischen sprechendem, singendem und elektrisiert virtuosem Ton. Mit stupender Sicherheit gelingt es ihm, Klänge in einem bis in den letzten Winkel der Philharmonie tragenden Pianissimo verhauchen zu lassen. Auf den Applaus folgt ein weiterer erfrischender Verstoß gegen die ungeschriebenen Konventionen des Klassikbetriebs: Als Zugabe gibt Fröst nämlich eine kurze Improvisation zum Besten, die gekonnt von Nachklängen des Nielsen-Konzerts zu augenzwinkernd eingearbeiteten Till-Eulenspiegel- Zitaten führt.

Starke Partner sind ihm Dirigent Thomas Søndergård sowie das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin. Die Klangfarbensensibilität, mit der sie das zwischen kühler Lyrik und urbaner Aufgeregtheit changierende Konzert begleiten, kommt auch Jean Sibelius’ Scènes historiques zugute, die den Abend eröffnen. Eine bemerkenswerte Interpretation gelingt Søndergård mit Tschaikowskys Pathétique zum Schluss: Mit recht flotten Tempi – besonders deutlich im walzerartigen zweiten Satz – und allzeit kontrolliertem Vibrato bewahrt er das Stück vor aller triefenden Emotion und stellt stattdessen Kontrastwirkungen in den Vordergrund. Geradezu wütend setzt bei ihm die Durchführung des ersten Satzes ein, und die rhythmische Zuspitzung, mit der Søndergård den dritten Satz fast bis hin zum Gewaltmarsch steigert, lässt das Finale auch ganz ohne Zusatz von Zucker oder Schmelz zu einem betroffen machenden Abgesang werden.

Deutschlandradio Kultur überträgt das Konzert am 28. April um 20.03 Uhr.

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