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Kultur: Martin, Medeski & Wood: Beavis will Butthead im Fieber erwürgen

Ein irritierendes Bild: Tanzende Fans vor der Bühne, Johlen, wenn die Hammondorgel ertönt, Headbanging, wenn der Beat einsetzt. Irritierend deshalb, weil hier ein Jazztrio auf der Bühne des Tränenpalasts steht.

Ein irritierendes Bild: Tanzende Fans vor der Bühne, Johlen, wenn die Hammondorgel ertönt, Headbanging, wenn der Beat einsetzt. Irritierend deshalb, weil hier ein Jazztrio auf der Bühne des Tränenpalasts steht. Und jeder weiß: Bei Jazztrios tanzt man nicht. Aber Martin, Medeski & Wood sind kein gewöhnliches Jazztrio, sie sind die derzeit angesagteste Jazzformation überhaupt, die einzige, die ein breites Publikum in einer Weise begeistert, wie das vor knapp zehn Jahren nur Nirvana und Pearl Jam vermocht hätten. Eine Studentenband für höhere Semester.

Inzwischen Mitte 30, wirken Martin, Medeski & Wood selbst wie ewige Collegeboys. Im T-Shirt, ganz ohne Attitüden-Platitüden, gehen sie gelassen in ihrem Instrumenten-Park spazieren. Genauso unbekümmert verknüpfen sie Musikstile, die bisher nicht zusammen gehört haben. Eine Löffelspitze Blues, ein bisschen Psychodelic Rock, eine Prise Bossa Nova, eine Dosis Hip Hop. Und immer wieder Funk. Für die Apokalypse zwischendurch löst Billy Martin den Beat auf, Chris Wood donnert auf seinem Bass und John Medeski bearbeitet alle seine Keyboards gleichzeitig. Ein brachiales Klanggewitter: schräge Streicherklänge vom Mellotron treffen auf verzerrte Clavinet-Akkorde und liegende Hammondorgel-Töne. Nur verständlich, dass die Fans den erlösenden Rhythmus bei seiner Rückkehr euphorisch bejubeln. Ein bisschen Halt in diesem postmodernen Pastiche verwischter Stilimitate tut gut.

Doch markiert die Imitationswut auch das Problem des furiosen Trios: Die drei entfalten als Instrumentalisten keine eigene Stimme. Unverwechselbar sind sie nur durch ihren - gleichwohl individuellen - Stilmix. Aber im Gegensatz zur Free-Funk-Bewegung fügen sie den einzelnen Bausteinen nur wenig hinzu. Um Funkbeats zu komplexen Polyrhythmen und dramatischen Spannungsbögen auszubauen, nehmen sich MMW nicht die Zeit. Ihre Grooves bleiben überschaubare Vierviertel-Beats. Doch wer Jazz heute hip macht und rehabilitiert, der verdient Lob.

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