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Kultur: Maßlose Großzügigkeit

Henry Roths posthumer Roman „Ein Amerikaner“

Die berühmteste Schreibblockade der Literaturgeschichte ereilte den jungen Henry Roth. 1934 hatte der Amerikaner jüdisch-galizischer Herkunft den Roman „Nenne es Schlaf“ geschrieben, wurde von der Kritik sofort mit James Joyce und Mark Twain verglichen und ist heute Schulstoff an amerikanischen Colleges.

Ganze sechzig Jahre soll Roth dann gebraucht haben, um wieder ein Wort zu schreiben, was so unglaublich ist, dass jetzt sogar sein deutscher Verlag damit wirbt. Erst in den neunziger Jahren kam Roth durch eine Taschenbuch-Neuausgabe seines Debüts wieder in Schwung und nahm innerhalb kürzester Zeit eine autobiografische Tetralogie („Mercy of a Rude Stream“) in Angriff, die in Deutschland ungünstigerweise auf drei Verlage verteilt wurde. Nun ist Roths letzter Roman unter dem Titel „Ein Amerikaner“ erschienen. Aus Tausenden von Manuskriptseiten ist es einem Journalisten des „New Yorker“ gelungen, die restlichen Szenen aus dem Leben der bereits eingeführten Hauptfigur Ira Stigman zu einer Romanhandlung zusammenzustellen. Mit mäßig überzeugendem Ergebnis. Der Leser erfährt von der schwierigen Trennung des jungen Schriftstellers von seiner älteren Geliebten, der Universitätsprofessorin Edith, denn „sie war von maßloser Großzügigkeit gepaart mit maßlosen Besitzansprüchen“. Bei einem Aufenthalt in der Künstlerkolonie Yaddoo lernt Ira dann seine spätere Frau kennen, die ihm hilft, sich allmählich aus allen Zwangslagen zu befreien. Dafür bedarf es einer abenteuerlichen Reise in Richtung Hollywood, die nicht selten in holzschnittartigen Dialogen wiedergegeben wird. Die Szenen im Kühlwaggon eines Güterzugs, in dem Ira zurück nach New York reist, lassen Roth kurz zu alter Hochform auflaufen. Doch anders als die Vorgängerromane ist dieser letzte, unvollendete kein Meisterwerk. Dennoch ist mit Henry Roth ein epischer Erzähler zu entdecken, dem auch in Deutschland viele neue Leser vor allem seiner früheren Werke zu wünschen sind.

Henry Roth:

Ein Amerikaner.

Roman. Aus dem

Amerikanischen

von Heide Sommer.

Hoffmann und Campe, Hamburg 2011.

383 Seiten, 23 €.

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