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Kultur: Maul- und Klauenseuche: Kreislaufschwäche

Deutschland ist noch einmal davongekommen. Zweieinhalb Monate, nachdem die Maul- und Klauenseuche in Großbritannien ausgebrochen ist, klingt sie auf der Insel langsam ab.

Deutschland ist noch einmal davongekommen. Zweieinhalb Monate, nachdem die Maul- und Klauenseuche in Großbritannien ausgebrochen ist, klingt sie auf der Insel langsam ab. Und bisher hat das hoch ansteckende Virus einen Bogen um deutsche Bauernhöfe gemacht. "Wir sind heilfroh", sagt Sigrun Neuwerth, Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums in Berlin.

Allerdings sei es noch zu früh, um Entwarnung zu geben. Agrarministerin Renate Künast (Grüne) sei "vorsichtig optimistisch", dass der aktuelle Seuchenzug abklinge, sagt Neuwerth. Allerdings warnt sie vor Leichtsinn: "Es gibt nach wie vor neue Ausbrüche der Krankheit in Großbritannien." Wenn auch weniger als noch vor ein paar Wochen. Auf dem Festland, in Frankreich und den Niederlanden, sei das MKS-Virus unter Kontrolle, meint die EU-Kommission. Oliver Emmes, Mitarbeiter des grünen Europa-Abgeordneten Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, rät aber ebenfalls weiter zur Vorsicht: "Wenn jetzt geschlampt wird, kehrt die Krise sofort zurück."

Trotzdem hat der Ständige Veterinärausschuss der Europäischen Union in dieser Woche vorsichtige Lockerungen der Transportbeschränkungen beschlossen, die Mitte Februar wegen der Tierseuche erlassen worden waren. Monatelang durften Schweine, Rinder oder Schafe nur noch vom Bauernhof direkt zum Schlachthof befördert werden, und auch das nur nach Zustimmung der örtlichen Tierärzte. Seit diesem Freitag sind in einem eingeschränkten Rahmen wieder Sammeltransporte möglich, zumindest bis zum nächsten Schlachthof.

Haben die deutschen Bauern einfach nur Glück gehabt? Oder war der Zentrale Krisenstab im Landwirtschaftsministerium mit seiner Seuchenstrategie sagenhaft erfolgreich? Es scheint fast so. Denn im Krisenstab einigten sich Bund und Länder auf eine gemeinsame Linie zur Bekämpfung der Tierseuche. Es gab schnell ein Transportverbot für Vieh und Produkte, die das Virus tragen könnten. Zudem schränkten die Landwirte Besuche auf ihren Höfen ein und sorgten dafür, dass Personen und Fahrzeuge desinfiziert werden. "Dabei bleiben die Landwirte auch vorerst", sagt Michael Lohse, Sprecher des Deutschen Bauernverbands (DBV).

Doch der Erfolg bei der MKS-Bekämpfung ist relativ. Zwar ist die Seuche bisher in Deutschland nicht ausgebrochen. Trotzdem hatte sie auch in Deutschland Folgen. Die Transportverbote haben den Handel mit Kälbern oder Ferkeln vollständig zum Erliegen gebracht, sagt Reinhard Schoch, von der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle (ZMP) in Bonn. Allerdings hat nicht einmal die ZMP Zahlen, die den wirtschaftlichen Schaden durch die Tierseuche beschreiben könnten. Für Großbritannien nannte die "Financial Times" vor einigen Tagen eine Summe von 18 Milliarden Pfund (rund 57 Milliarden Mark) als Schaden durch den aktuellen Seuchenzug. Denn auf der Insel ist auch ein Großteil des Tourismus zusammengebrochen. Die Importverbote, die beispielsweise Russland, einer der wichtigsten Absatzmärkte, verhängt hatte, trafen dagegen alle europäischen Bauern. Besonders gebeutelt sind diejenigen Landwirte, auf deren Höfen MKS-Verdachtsfälle gemeldet wurden. Ihre Tierbestände wurden vollständig getötet. Zwar leisten die Tierseuchenkassen in der Regel einen Ausgleich. Doch wenn beispielsweise eine Rinderherde gekeult wird, gehen nicht nur die Tiere selbst, sondern meist auch jahrelange züchterische Arbeit verloren. Dafür gibt es keinen Ersatz.

Deshalb fordert der Deutsche Bauernverband vehement eine Wende in der Anti-Impfpolitik der Europäischen Union. Michael Lohse ist überzeugt, dass die Pharmaindustrie schnell einen so genannten Marker-Impfstoff entwickeln könnte, wenn aus der Politik das Signal käme, dass in Europa wieder geimpft werden darf.

Bisher lassen sich geimpfte Tiere nicht von solchen unterscheiden, die eine MKS-Erkrankung überstanden haben. Deshalb war das Hauptargument der EU-Kommission gegen die Impfung, dass Impfstaaten mit harten Handelsbeschränkungen rechnen müssten. Renate Künast (Grüne) hat im EU-Agrarministerrat angeregt, nach dem Ende des aktuellen Seuchenzugs eine offene Debatte über die Anti-Impfpolitik zu führen. Neuwerth sagt, die Ministerin sei noch nicht entschieden, ob sie sich in Brüssel für eine neue Impfpolitik stark machen wolle oder nicht. Sie wolle erst einmal über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse informiert werden, bevor sie eine solche Entscheidung treffe.

Wie eine Agrarpolitik aussehen soll, die eine rasend schnelle Verbreitung von Tierseuchen vermeidet, weiß Künast allerdings genau. Ihr wichtigstes Anliegen als Konsequenz aus der Maul- und Klauenseuche: Tiertransporte sollen deutlich kürzer und möglichst auch weniger werden. Die Ministerin will wieder zu regionalen Wirtschaftskreisläufen für Agrarprodukte kommen, damit gar nicht erst Millionen Tiere jährlich durch ganz Europa gefahren werden müssen. In Großbritannien konnte sich das Virus nur deshalb so schnell ausbreiten, weil es in England nur noch drei zentrale Viehmärkte gibt. Ein krankes Tier hat gereicht, um das MKS-Virus binnen drei Wochen auf der ganzen Insel zu verbreiten.

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