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Max Raabe

© AFP

Neue Show von Max Raabe: Auf Posen gebettet

Versteinertes Gesicht, mumifizierte Mine, von hintersinnigem Lächeln keine Spur: Was ist nur aus Max Raabe geworden? Ein Besuch bei der Premiere seiner neuen Show "Das hat mir noch gefehlt".

Wenn ein Star seine Fans darüber abstimmen lässt, welche Lieder im nächsten Programm vorkommen sollen und ein Song auf den ersten Platz kommt, den der Künstler noch nie in seiner Heimat aufgeführt hat, sollte ihm das zu denken geben. Weil seine Anhänger offensichtlich gern mal etwas Neues von ihm hören wollen. Bekommen sie aber nicht: Bei der Berlin-Premiere seiner neuen Show „Das hat mir noch gefehlt“ im Admiralspalast singt Max Raabe den Siegertitel der Online-Abstimmung „La Mer“ zwar in der Originalsprache. Aber er versucht erst gar nicht, sich in die sanft wiegende, mediterran-verträumte Atmosphäre des Charles-Trenet-Klassikers einzufühlen. Sondern liefert ihn einfach im Max-Raabe-Einheitssound ab.

Auch nach drei Jahrzehnten im Retroschlager-Business ist der Bariton immer noch gut bei Stimme – aber offensichtlich nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache. Wie mumifiziert, mit versteinertem Gesicht trägt er die Titel vor. Wo ist sein hintersinniges Lächeln geblieben, wo das kokette Spiel mit der hochgezogenen Augenbraue? Ein Flirt mit dem Publikum findet hier nicht statt, da ist keine charmante Ansprache, nicht einmal der Versuch einer Kontaktaufnahme. Der Sänger scheint komplett in seiner Frack-Pomade-Pose erstarrt.

Sollte wirklich nur der mittelständische Unternehmer Max Raabe übriggeblieben sein?

Wie wunderbar unzeitgemäß wirkte er einst, ein Herrendarsteller der elegantesten Sorte, einer, der in die glamouröse Entertainmentkultur vergangener Zeiten eintauchen wollte, angetrieben von Leidenschaft und Forschergeist. Sollte vom eloquenten Anwalt der Schellackplatten-Renaissance wirklich nur noch der mittelständische Unternehmer Max Raabe übrig geblieben sein, der sehen muss, wie er die Gehälter für sein Palastorchester und die Crew zusammen bekommt? Die popeligen Projektionen, die immer mal wieder auf der Bühnenrückwand erscheinen, bezeugen, wie sehr diese Tourneeproduktion auf Stadthallentauglichkeit getrimmt ist.

Was in dieser Musik an Sprengkraft steckt, wie frech ihr doppeldeutiger Witz war, – und immer noch ist! – erlebt man derzeit besser in den Operettenaufführungen der Komischen Oper. Hier hingegen wird nur Repertoire verwaltet, fraglos auf höchstem Niveau – aber dass sie auf der Bühne Spaß hätten, teilt sich nicht mit. „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“, möchte man der eigentlich so tollen Truppe mit Gustav Mahler zurufen.

Vor allem im ersten Teil des Konzerts ist trotz präziser Rhythmen kaum noch der Puls der Songs zu spüren, nach der Pause wird es immerhin etwas vitaler. Warum ein Großteil des Publikums am Ende dennoch in Jubel ausbricht, nachdem die einzelnen Nummern jeweils nur mit höflichem Applaus bedacht worden waren, bleibt rätselhaft.

Admiralspalast, bis 19. März.

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