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Kultur: Mehr denken, um zu handeln

KAMMERMUSIK

Seit über 30 Jahren sucht das Kronos Quartet nach der musikalischen Gegenwart jenseits aller stilistischen und kulturellen Grenzen. Mit ihren Programmen füllt es Hallen so leicht wie Rockbands. Doch anders als die meisten Kollegen an den E-Gitarren haben die vier Streicher aus San Francisco rechtzeitig gemerkt, dass sie älter werden. Und reagiert. Sie gaben einen Schwung Werke bei Komponisten in Auftrag, die jünger als 30 sind – und erneuern so ein Repertoire, das bereits über 650 Werke umfasst.

Neugier als Lebenshaltung. Entspannt und ernsthaft betritt das Kronos Quartet die Bühne des Potsdamer Nikolaisaals , mit der stillen Demut derer, die auf einen Honigtopf gestoßen sind. Von den einstmals schrillen Bühnenklamotten haben sich die Musiker verabschiedet. Das Quartett muss keine Avantgarde mehr vorleben, es fühlt sich wohl in ausgebeulter Nickijacke und Stiefeletten. Kronos ruht in seinem Universum. Hier rinnen indische Filmmusik, äthiopische Kriegsgesänge, mexikanische Todesriten, Jazz und Blues ohne erkennbaren Widerstand über die Saiten von Violine, Bratsche und Cello.

Es gibt nichts, was das Kronos Quartet nicht unter seinen stilistischen Sombrero bringt. Und doch fehlt beim seriösen Anverwandeln mitunter das Adrenalin. Ja, man sehnt gelegentliche Aussetzer vom elegischen Fusionsstil herbei. Kraftvoller fällt die Konfrontation zwischen Steve Reichs scharf umrissenem „Triple Quartet“ und der schwelgerischen Romantik der isländischen Band Sigur Rós aus. Als bei den Zugaben Jimi Hendrix auf Hildegard von Bingen folgt, ist alle Welt begeistert.

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