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Kultur: Mehr handeln, weniger denken

SINFONIK

Mitte der Neunzigerjahre hatte Rafael Frühbeck de Burgos die Chance, die Klassikmetropole Berlin zu prägen – als Chefdirigent der Deutschen Oper wie des Rundfunk-Sinfonieorchesters (RSB). In beiden Fällen scheiterte er: Die Ära Frühbeck gilt heute als Zeit musikalischer Katerstimmung, vor allem weil der Spanier der Bedrohung seiner Orchester durch die Streich- und Fusionspläne der Kulturpolitik keine künstlerische Profilierung entgegensetzen konnte.

Bei seinem jüngsten Auftritt am Sonnabend im Konzerthaus erinnert zunächst Beethovens Siebte an die Gründe seines damaligen Scheiterns. Der Musik eine Aussage abzugewinnen, sie als Interpret zu durchdenken, war noch nie Frühbecks Stärke: Beethovens Radikalisierung der Ausdrucksmittel, das collagehafte Einbeziehen von Militärsinfonien, ja der ganze Verlaufsplan des Werks zwischen Kampf, Trauer und Sieg werden mit routinierter Selbstverständlichkeit hingenommen, das RSB stellt dazu einen fülligen sinfonischen Allerweltsklang bereit. Musizieren, ohne Fragen zu stellen – das ist bei Beethoven fatal, beim Begleiten von Rachmaninows viertem Klavierkonzert aber in Ordnung, auch wenn das filigran-geläufige Spiel von Lilya Zilberstein durchaus noch mehr kammermusikalisches Entgegenkommen vertragen hätte. Am ehesten kommt Frühbecks unbeirrtes Dirigat jedoch Ravels zweiter „Daphnis“-Suite zugute: Hier konzentriert er sich ganz auf den melodisch-gestischen Handlungsfaden des Balletts, rückt das Werk ungewöhnlich nahe an Strawinskys „Sacre“. Es war vielleicht doch nicht alles schlecht, damals.

Jörg Königsdorf

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