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Kultur: MehrMortier!

Die Ruhrtriennale glänzt mit Auslastung von 92 Prozent

Wer den Erfolg von Gerard Mortier mit eigenen Augen sehen will, sollte nicht ins Duisburger Stadttheater gehen. Hier wird zwar Mauricio Kagels „TheaterKonzert“ als Koproduktion mit der Ruhrtriennale gezeigt, doch von den durchschnittlich 92 Prozent Auslastung, die das Festival in der gerade zu Ende gegangenen Herbstsaison erreichte, keine Spur. Rechnet man die 120 000 hinzu, die das Kunst-Highlight des Festivals, Bill Violas pathetische Video-Installation „Five Angels“ im kathedralhohen Gasometer Oberhausen, gesehen haben, konnte die Triennale in diesem Sommer insgesamt 180 000 Karten verkaufen. Ein Riesenerfolg für die von den Kulturmachern in der Region mehr als kritisch beäugten Dreijahres-Festspiele. Nur, wie gesagt, nicht in Duisburg bei der szenischen Einrichtung von fünf Kagelschen Konzertstücken durch Christoph Nel. Am vierten Aufführungsabend lichten sich die sowieso schon schütter besetzten Reihen bis zur Pause noch einmal erheblich. Das liegt nicht allein an Nels zähledriger Altherrenpoesie (Tangotänzer! Luftakrobaten! Ein auf bloßen Sohlen melancholisch durch die Szenen wandelnder Knabe!), sondern auch daran, dass diese Triennale-Produktion in Duisburg durchs normale Abonnement gejagt wird.

Das passt eigentlich nicht zusammen mit Gerard Mortiers Auftrag, internationale Avantgarde ins Ruhrgebiet zu bringen. Im Stadttheater wollen die Leute Vertrautes sehen – in einem ehemaligen Industrietempel lassen sie sich mehr gefallen. Allein 35 000 Besucher strömten seit April in die aufwendig hergerichtete Bochumer Jahrhunderthalle, ein großer Teil zweifellos aus purer Neugier, um zu sehen, wie die sagenhafte, 9000 Quadratmeter große Gaskraftzentrale wohl als Bühnenraum wirkt. Bei der optisch beeindruckenden und inhaltlich kreuzbraven „Zauberflöte“ der katalanischen Theatertruppe „La Fura dels Baus“ blieb kaum ein Stuhl leer, ebenso bei Messiaens „Saint François d’Assise“, für den Ilya Kabakov eine buntschillernde Glaskuppel quergelegt hatte, oder bei Beat Furrers „Begehren“ in der statischen Inszenierung von Reinhild Hoffmann und mit einem Bühnenbild der Stararchitektin Zaha Hadid.

Spielorte wie diese festigen den Ruf des Ruhrgebiets als erfolgreich von Kohle auf Kunst umstrukturierte Region. Vor allem, wenn 450 Journalisten in 24 Ländern über das Festival berichten. Kein Wunder, dass Nordrhein-Westfalens Kulturminister Michael Vesper sich klar für die Fortsetzung des Experiments ausspricht und Mortiers Nachfolger Jürgen Flimm nur zehn Prozent des 40-Millionen-Euro-Etats abzwackt – während Basiskultur-Institutionen wie dem Landestheater Castrop-Rauxel 2004 40 Prozent der Landeszuschüsse gestrichen werden sollen. Was Mortier im Frühjahr 2004 zeigen will, wird erst im Dezember verraten. So viel steht allerdings fest: Peter Brook soll dabei sein, ebenso Adriane Mnouchkine, und außerdem wird es eine Ausstellung zum Phänomen der menschlichen Stimme geben.

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