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Mein erster BOB (6): „Eine Lektion in Fetischismus“

Etwa fünf Jahre nach meiner Manie für die „Star-Wars“-Trilogie und das Spielzeug, das diese – wie Weltraumschrott die Erde – umkreiste, wurde ich wieder Fan. Was diesmal Besitz von meinem schon wachen, aber noch schwachen Geist ergriffen hatte, war tot, musikerförmig und unter John Lennon bekannt.

Etwa fünf Jahre nach meiner Manie für die „Star-Wars“-Trilogie und das Spielzeug, das diese – wie Weltraumschrott die Erde – umkreiste, wurde ich wieder Fan. Was diesmal Besitz von meinem schon wachen, aber noch schwachen Geist ergriffen hatte, war tot, musikerförmig und unter John Lennon bekannt. Lennon war nun seinerseits, wie ich las, ein glühender Anhänger Bob Dylans gewesen. Dies hatte sich nicht nur in dem fast komödiantischen Pastiche „You’ve got to hide your love away“ geäußert, sondern auch in einer Fotoserie mit hochtoupierten Haaren. Wenn aber der Held meiner soeben erst beginnenden Jugend sich derart zum Affen machte für einen anderen Künstler, musste dieser andere Künstler dann nicht ebenso toll oder noch toller sein?

Die Idee konnte mir, loyal, wie ich war, nicht behagen, aber die Neugier war geweckt. Und so hörte ich mich durch den frühen Dylan, mit einer Mischung aus argwöhnischem Misstrauen, Verwunderung über die Neuigkeit, dass die Mundharmonika ein cooles Instrument sein soll, und einem trotz all dem wachsenden Interesse. Gerade als Letzteres in Begeisterung umgeschlagen war, traf es sich, dass Dylan in der Dortmunder Westfalenhalle spielen sollte. Ich bereitete mich darauf vor wie auf einen Gottesdienst. Leider war ich damit allzu nahe an der Wahrheit, denn Dylan hatte mit „Temples in Flames“ soeben den Tiefpunkt seines Schaffens und den Höhepunkt seiner Religiosität erreicht. Die Vorband, immerhin Tom Petty and the Heartbreakers, nahm ich aus fiebriger Vorfreude nur halb wahr. Dann kam Dylan auf die Bühne, und ich war von der ersten Sekunde an gebannt, zutiefst bewegt, mitgerissen von jeder Note, jedem Wort – so machte ich es mir selbst vor. Erst Monate später gestand ich mir ein, dass nichts an diesem Abend wirklich meine Seele erreicht hatte, nichts wirklich nachdrücklich in meinem Gedächtnis haften geblieben war. Und so gab mir Dylan nicht nur mein erstes Rockkonzert, sondern auch meine erste Lektion in Fetischismus.

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