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Kultur: Meistersinger

Peter Wapnewskis Erinnerungen, Teil zwei

Herbst der Patriarchen: erst laut trommelnd Günter Grass, dann im Tod souverän triumphierend Joachim Fest. Und noch ein weiterer Altmeister des bundesrepublikanischen Geisteslebens hält Rückschau. Peter Wapnewski, Jahrgang 1922, Gründungsrektor des Berliner Wissenschaftskollegs, Essayist und Kritiker, Universitätsprofessor für mittelalterliche Germanistik und Wagner-Kenner, hat den zweiten Teil seiner Erinnerungen vorgelegt. Von einer Jugend unter dem Hakenkreuz, von den Kriegsjahren, die den Verlust eines Auges brachten, vom glücklichen Gewinn der universitären Welt nach 1945 erzählte der erste Band, der im vergangenen Herbst erschien.

Nunmehr also die Reife- und Erntejahre mit den Professuren in Heidelberg, an der FU, in Karlsruhe; schließlich die Berliner Jahre am paradiesischen Wissenschaftskolleg. Berühmte und vergessene Namen ziehen vorüber; ihrer gedenkt der Autor voller Dankbarkeit und zeichnet sie doch leider allzu diskret-distanziert: Uwe Johnson, Fritz J. Raddatz, Gershom Scholem, Wolf Lepenies, Loriot, zahllose Kollegen (und deren Frauen), ein wenig Gruppe 47. Verblüfft erfährt man, dass Wapnewski erst 1976 begann, sich mit Richard Wagner zu beschäftigen – umso ehrfürchtiger verneigt man sich vor seinen tiefgründigen Essays über jenen großen Künstler, der dem Autor stets schon an der Wiege gesungen zu haben schien.

Der Meistersinger Wapnewski verfolgt das eigene äußere Leben und verbirgt dabei seinen inneren Weg oftmals hinter Panegyrik und Parlando. Darüber hinwegzutrösten, vermag der weise Blick des Nestors: „Das Eigentliche, das ist der Versuch, des Lebens Widerspruch Herr zu werden mit Hilfe des ihm nachspürenden Wortes.“

Peter Wapnewski: Mit dem anderen Auge. Erinnerungen 1959 – 2000.

Berlin Verlag.

255 Seiten, 24 €.

Alexander Cammann

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