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Kultur: Mensch und Chimäre

KUNST

Seit Pygmalion traut man – neben der Wissenschaft – vor allem der Skulptur die magische Verlebendigung von künstlichen Körpern zu. So arbeitet die Bildhauerin Iris Schieferstein nicht in Marmor, sondern in Fleisch und erschafft aus leblosen Körpern neues, monströses Leben. Anfang der Neunzigerjahre begann sie, Tierleiber neu aneinander zu fügen – am einprägsamsten bleibt wohl der auf einen Goldbroiler montierte Schweinekopf. Ihre komische Absurdität verwandelte Schiefersteins Mischwesen in überzeugende Neuschöpfungen. Die schwer verdauliche Kombination aus fröhlicher Kinderspielästhetik und totem Fleisch machte diese Bilder so anders, so anziehend. Schiefersteins neue Arbeiten, die die Berliner Neue Aktionsgalerie unter dem Titel „Like Human Beings“ präsentiert (bis 27. April, Auguststr. 20. Di-Fr 14-19 Uhr, Sa 11-19 Uhr) haben einen anderen Charakter: Es sind lebensgroße, aus vielen kleinen Chimären zusammengesetzte menschliche Antlitze.

Wie in einem 3D-Puzzle verwandeln sich Kükenköpfe, die sich verschämt in Hühnerfüße schmiegen, in Mandelaugen mit kralligen Wimpern, während aus bleichen Mäusekörpern Schlangenköpfe wachsen, um Nase und Augenbrauen darzustellen. Diese winzigen Ungeheuerchen fügen sich dann wie ein Leviathan zu einem Medusenhaupt, Damenporträt oder Januskopf zusammen. Durch die strenge Abbildhaftigkeit der einzelnen Bildelemente fehlt diesen Porträts aber die schaurige Launigkeit, welche die früheren Geschöpfe so erfrischend anders aussehen ließ. Das Handwerk ist virtuoser geworden, die Bildidee hat sich ins Konventionelle vergröbert.

Uta Kornmeier

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