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Stadt als Dorf. „Wilmersdorf bei Berlin“ (1853).

© Stadtmuseum Berlin

Menzel Ausstellung im Märkischen Museum: Wolken über der Welt

Adolph Menzel, der vor 200 Jahren geboren wurde, stieg vom Handwerker zum Großkünstler auf. Unter dem Titel „Ich, Menzel“ erzählt das Märkische Museum von diesem Aufstieg.

Ein Meter achtunddreißig. So taxiert Florian Illies Adolph Menzels Körpergröße. Knapp ein Meter fünfzig. Auf diese Zahl kommen die Macher der Ausstellung „Ich. Menzel“ zum 200. Geburtstag des Malers im Märkischen Museum. Zum Beleg können sie auf Daten aus dem Reisepass von 1852 und auf seinen Spazierstock verweisen, ein Prachtexemplar mit elfenbeinernem Tierfußknauf. Menzel war kleinwüchsig, das prägte seine gesellschaftliche Stellung genauso wie seine Kunst. Zeitlebens blieb er ein Außenseiter, die herauf- oder herabblickende Perspektive bestimmte sein Werk. Er habe „sein ganzes Werk dem Blick gewidmet“, schreibt Illies im Katalog, „den abgewendeten, den erschreckten, den gutmütigen und den neugierigen Blicken“.

Menzel stieg auf Stühle, Leitern und Podeste, um zu zeichnen oder zu malen, selbst für sein berühmtes vorimpressionistisches „Balkonzimmer“, das von Licht durchflutet ist. Zu seinen Lebzeiten verwandelte sich Berlin von einer Residenzstadt mit 260 000 Einwohnern zur Zweimillionenmetropole. Immer wieder hat er Berlin gemalt, aber nicht die aufstrebende, dynamisch wachsende Groß- und Industriestadt, sondern gewissermaßen die Rückseite der rasant wachsenden Metropole. Alte, hinfällig wirkende Gebäude, die der Modernisierung trotzen, Überreste der Romantik. Hinterhäuser im Schnee. Sein eigenes Schlafzimmer in der Ritterstraße mit Ausblick auf eine bühnenartige Nachbarschaftswelt aus Fassaden und Gärten. Einen Blick auf den Anhalter Bahnhof bei Mondschein.

Berlin ist eine Wiese

Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehört seine Ansicht „Am Kreuzberg bei Berlin“, der er selber den Titel „Alt-Berlin“ gab. Von einer Anhöhe hinter einer knorrigen, schwungvoll erfassten Baumgruppe fällt der Blick auf ein Fachwerkgehöft, das sich in eine Wiese duckt. Das 1847 entstandene Gemälde wurde 1903 vom Berliner Magistrat für das Märkische Museum angekauft, für die damals astronomische Summe von 13 000 Reichsmark.

Es hängt nun neben einer wolkenschweren, an holländischen Vorbildern des 17. Jahrhunderts geschulten Landschaft „Wilmersdorf bei Berlin“, einer Zille-artig anmutenden Marktszene „Berliner Straße im Winter“ mit frierend flanierenden Mantelmenschen und einem Porträt des eierköpfigen Kunsthistorikers Franz Kugler. Für Kuglers „Geschichte Friedrichs des Großen“ hatte Menzel, dessen Vater eine Steindruckerei betrieb und ihn zum Grafiker ausbildete, rund 400 Zeichnungen für die Holzschnittillustrationen geliefert, sein erster Erfolg.

Am Ende seines langen Lebens gilt Menzel gleichermaßen als Berühmtheit wie als Unikum. Der Publizist Maximilian Harden staunt über den „Riesenschädel, auf einen Zwergrumpf gestülpt“ und attestiert dem Künstler den „Kopf eines Gymnasialprofessors, der finster blicken gelernt hat, weil sonst die Schuljungen den Dreikäsehoch nicht respektirten“.

Wenig Gemälde, viele Bilder

Die Ausstellung beginnt mit einer bronzenen Menzel-Statuette von 1895. Ein kleiner Herr mit Hut und Regenschirm, verdrießlich dreinschauend. Gleich daneben liegt ein Notizbuch von 1874, das der Ausstellung ihren Titel gab: „Ich“ steht handschriftlich auf dem Deckel. An Selbstbewusstsein mangelte es Menzel nicht.

Leihgaben sind rar, die Großgemälde fehlen im Märkischen Museum. Kein „Eisenwalzwerk“, kein „Flötenkonzert“, kein „Ballsouper“. Kuratorin Claudia Czok konzentriert sich auf die Bestände der Stiftung Stadtmuseum, zu denen Zeichnungen, unendlich viele grafische Arbeiten, die bekleckste Palette des Künstlers, abgenutzte Stifte, Aufzeichnungen, Briefe und Postkarten gehören. Vor Kurzem erworben wurde ein autobiografisches Manuskript für das Brockhaus-Lexikon, unterschrieben mit „Adolph Friedrich Erdmann Menzel“.

Den Hinterraum seines Ateliers in der Sigismundstraße am Tiergarten, wo er von 1875 bis 1905 lebte und arbeitete, hat Menzel als „Aller-Heiligstes“ bezeichnet. Dort lagen 30 Mappen mit 6000 Zeichnungen und 80 Skizzenbücher, der Vorratsspeicher seiner Kunst. Seine Karriere begann er als Handwerker, dafür stehen gedruckte Gesellenbriefe und Andachtsbilder, Illustrationen zu Chamissos „Peter Schlemihl“ und 18 lithografische Drucksteine. Fast alle seine Themen hat Menzel ursprünglich auf Papier ausprobiert.

Anstrengungen für die "Authenticität“

Seine Akribie war legendär. Eine Karikatur des Künstlervereins „Tunnel über der Spree“ adelt Menzel zu „Rubens“ und zeigt ihn der Geschichte hinterhereilend: „Der Reiter reitet in die Schlacht / Rubens kommt erst um halb acht.“ Bei seinen Historienbildern ging der Künstler mit geradezu wissenschaftlichem Eifer ans Werk. Für Kuglers Friedrich-Buch studierte er Uniformen und Waffen im Berliner Zeughaus, um „dadurch den Sachen die Authenticität“ zu geben. Eine Neuerwerbung ist ein Stuhl mit hoher Lehne aus Menzels Atelier. Darauf gesessen hat der Maler fast nie. Er legte lieber Requisiten und Bücher dort ab.

Bis 28. März, Di–So 10–18 Uhr, Katalog (Verlag M) 19,90 €

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