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Die türkische Performance-Künstlerin Nezaket Ekici mit ihrem Beitrag "Emotion in Motion" auf der Art Basel Hongkong.

© dpa

Messe Art Basel Hongkong: Auf Tuchfühlung mit moderner Kunst

Viele Besucher, noch mehr Selfies: Die dritte Art Basel Hongkong entwickelt eine Sogkraft für die gesamte asiatische Region.

Gwyneth Paltrow war da, auch Susan Sarandon wurde im Convention Centre gesichtet. Trotzdem war die dritte Ausgabe der Art Basel Hongkong weit davon entfernt, ein Party-Event wie die Art Basel Miami Beach zu werden. Dazu fehlen: Sonne, Strand und Starlets im Bikini.

Fünf Tage lang trafen sich im nebelverhangenen Hongkong trafen sich fünf Tage lang Sammler, Galeristen und Besucher. Vergangenes Jahr lag der Termin noch im Mai, in einem geschäftigen Monat mit wichtigen Auktionsterminen. Die im Januar eingesetzte Leiterin der Art Basel in Hongkong, Adeline Ooi, hat den Termin deshalb auf März verlegt und sprach von einem Signal für die Region. Was wohl auch hieß, dass die wachsende Milliardärsschar im Dreieck von Schanghai, Singapur und Hongkong keinen Terminstress bei ihren Investments fürchten muss.

Für Adeline Ooi stand nach der Messe fest: Der neue Termin ist ein Erfolg. Auf zwei Etagen, groß wie Flughafenterminals, zeigten 233 Galerien aus 37 Ländern Bilder, Skulpturen und Installationen. Knapp 60 000 Menschen strömten zu den Ständen, machten hunderttausende Selfies und nippten am Champagner, den junge Chinesinnen in Miniröcken und Ugg-Boots verkauften. Das wichtigste Gesprächsthema im Vor- und Umfeld waren die Proteste, die 2014 die Metropole erschütterten. Die Reste des Zeltlagers standen im Stadtteil Central: schiefe Nylon-Hütten, bunte Tupfer in der Wüste aus Beton und Glas, wie vergessene Teile einer Installation. Der Geist der Revolte scheint verflogen zu sein – oder zumindest in unauffällige Winkel abgeschoben.

Auch auf der Messe machte sich die Revolte kaum bemerkbar. Der chinesische Künstler Chen Shaoxing zeigte in der Pékin Gallery ein Kaleidoskop weltweiter Proteste, 40 Tuschzeichnungen auf Reispapier, darunter Demonstrationen in China – vor allem gegen die Landnahme- Politik der Zentralregierung. Für knapp 128 000 Euro wurde das Werk verkauft. Wer wollte, konnte dies als ein Bekenntnis lesen.

Art Basel Hongkong oder die "Farm der Tiere"

Füchse, Hirsche, Pferde: In der Mode sind Tiermotive längst zurück. Inzwischen färbt der Trend auf die Kunstwelt ab, gelegentlich fühlte man sich auf der Art Basel Hongkong wie auf der „Farm der Tiere“. Matthias Arndt mit Galerien in Berlin und Singapur zeigte zwei große Gemälde des indonesischen Künstlers Jumaldi Alfi (Pferde), Eigen + Art aus Berlin und Leipzig ein dramatisch düsteres Bild der US-Amerikanerin Melora Kuhn (Bison, von Hunden angefallen). Ben Brown brachte eine Bronzeskulptur von François-Xavier Lalanneder (Schaf) mit, der chinesische Künstler Yang Maoyuan stellte in der Installationsreihe „Encounters“ haarige Mutationen auf (Pferd mit angenähtem Fellball) und der koreanische Künstler Myeongbeom Kim verschönerte einem Hirsch das Geweih mit einer Zweigenkrone.

300 000 US-Dollar kostete die Skulptur – und laut Gallery Ihn aus Seoul gab es einen institutionellen Interessenten. Interessenten, das Wort kursierte nicht nur während der zweitägigen Preview. Will heißen: Sammler, die sich nicht entscheiden konnten und wollten. Der Picasso für 25 Millionen US-Dollar bei Acquavella? „Starkes Interesse.“ Das abstrakte Gemälde von Gerhard Richter für 7,8 Millionen Dollar bei Van de Weghe? „Noch erhältlich.“ Die riesige Andreas-Gursky-Fotografie der künstlichen Inseln vor Dubai, ausgestellt bei White Cube (385 000 Pfund)? „Very strong hold.“ Eine Reservierung also – am vorletzten Messetag.

Auf Tuchfühlung mit moderner Kunst

Bei anderen Galeristen lagen die Nerven blank. Die interessierte Öffentlichkeit – Schulklassen, Kleinfamilien, Großfamilien – nahm die Einladung, mit moderner Kunst auf Tuchfühlung zu gehen, beherzt an. Manch einer berührte die Werke, als seien es Heiligenstatuen mit Glücksversprechen. Die Galerie Michael Werner postierte zusätzliches Sicherheitspersonal, Eigen+Art stellte die bereits verkauften Glasskulpturen von Kai Schiemenz vorsorglich sicher, nachdem zu viele Besucher drüberstreichen wollten.

Auch die australische Galerie Sullivan + Strumpf nahm die verkaufte Silikon-Plastik einer nackten Knieenden vom Stand. Der Künstler Sam Jinks hatte das meistfotografierte Motiv der Messe geschaffen, und vielleicht fühlten sich viele Besucher der devoten Pose wegen an den Erfolgsfilm „Fifty Shades of Grey“ erinnert und angenehm stimuliert. Der Stand war teilweise dermaßen überfüllt, dass man glaubte, George Clooney persönlich gäbe gerade Autogramme. Immerhin konnten Kunstpaparazzi sich noch mit einer anderen Jinks-Plastik fotografieren: einem alten Mann, der einen jüngeren, halb nackten stützt.

Es entsteht ein wachsender Käuferstamm im asiatischen Raum

Und ist das schlecht fürs Geschäft? Eigen + Art berichtet von erfreulichen Verkäufen an den Besuchertagen, nachdem das Preview-Geschäft an den ersten beiden Tagen nur zögerlich verlief. Wie übrigens bei vielen mittelgroßen und kleineren Ausstellern. Die großen Galerien vermeldeten hingegen gleich am ersten Abend beträchtliche Umsätze. Bei David Zwirner ging ein Gemälde des britischen Malers Chris Ofili („Dead Monkey – Sex, Money and Drugs“) für zwei Millionen US-Dollar in der ersten Stunde weg. Das Gemälde „Die Fremde“ von Neo Rauch erwarb ein chinesischer Sammler vom Festland für eine Million Dollar. Und ein paar Tage später ging auch sein Ölgemälde „Marina“ bei derselben Galerie für die gleiche Summe nach Schanghai.

White Cube aus London, die ihre BritArt inzwischen auch von einem Stützpunkt aus in Hongkong verkaufen, berichtete von einem 800 000-Pfund-Geschäft, einem Werk von Damien Hirst. Der Künstler hat mit Skalpellen, Sicherheitsnadeln und Klingen den Stadtplan von Schanghai gebastelt. Zwei Arbeiten von Thomas Demand gingen aus der Galerie Sprüth Magers für 180 000 Euro an neue Besitzer. Die Galerie Hauser & Wirth aus Zürich verkaufte acht Gemälde des chinesischen Malers Zhang Enli ( 250 000 – 350 000 US-Dollar). Alle sprechen von einem wachsenden Käuferstamm aus dem asiatischen Raum, mit Singapur, Hongkong, Seoul, Schanghai als Zielorten. Australische und chinesische Museen schickten ihre Kuratoren vorbei, westliche Häuser waren ebenfalls vertreten. Fünf Tage zwischen großen Namen, kleinen Provokationen und süßen Viechern.

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