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© ddp

"Metropolis": Tanz um die Maschinen

Die Ausstellung zur Wiederentdeckung: Das Berliner Filmmuseum präsentiert "The Complete Metropolis".

Als Fritz Lang 1924 New York besuchte, war er überwältigt. „Allein der Anblick von Neuyork bei Nacht müsste genügen, um dieses Fanal der Schönheit zum Kernpunkt eines Films zu machen“, schrieb er nach seiner Rückkehr enthusiasmiert in einem Berliner Film-Magazin. „Straßen, die Schächte voll Licht sind, voll drehendem, wirbelndem, kreisendem Licht, das wie ein Bekenntnis zu frohem Leben ist. Und darüber, himmelhoch über den Autos und Hochbahnen, tauchen Türme auf in Blau und Gold, in Weiß und Purpur, von Scheinwerfern aus dem Dunkel der Nacht gerissen.“

Den Film, den der Regisseur hier mit expressionistischem Pathos beschwört, hat er bald darauf tatsächlich gedreht. Er heißt „Metropolis“ und spielt in einer Zukunft, in der die Häuser noch etwas steiler aufragen und das Gewimmel der Autos und Hochbahnen noch ein wenig größer ist. Die Idee zu „Metropolis“, so hat Lang behauptet, habe er in New York gehabt. Das klingt plausibel, ist aber eine Legende. Denn als sich Fritz Lang für die Amerika-Reise einschiffte, war das Drehbuch seiner damaligen Ehefrau Thea von Harbou bereits fertig.

„The Complete Metropolis“ heißt die Ausstellung, mit der das Berliner Museum für Film und Fernsehen jetzt an die Entstehungsgeschichte des berühmtesten deutschen Stummfilms erinnert. „Metropolis“ hat mit seinem futuristischen Look Science-Fiction-Filme wie „Star Wars“ oder „Blade Runner“ geprägt, zunächst einmal war der Film aber ein gewaltiger Flop. Er verschlang 1925/26 die damals astronomische Produktionssumme von drei Millionen Reichsmark und brachte das Ufa-Filmstudio an den Rand des Ruins. Nach seiner Uraufführung im Januar 1927 wurde der Film zunächst nur in einem einzigen Berliner Kino gezeigt, dem „Ufa-Pavillon“ am Nollendorfplatz.

„Metropolis“ spielte bescheidene 70 000 Reichsmark ein und wurde von den Kritikern gnadenlos verrissen. Die Ufa zog den Film nach wenigen Wochen zurück und ließ ihn für die Auswertung in den USA von 153 auf 118 Minuten kürzen. Die ursprüngliche Version galt jahrzehntelang als verschollen, bis 2008 im Museo del Cine in Buenos Aires eine 16-mm-Kopie des Originals entdeckt wurde. So kann „Metropolis“ nun, sorgfältig restauriert, während der Berlinale am 12. Februar gewissermaßen seine zweite Weltpremiere feiern. Ein paar Minuten fehlen allerdings immer noch.

Die Ausstellung beginnt mit Großstadtbildern. Neben Szenenfotos, auf denen Flugzeuge vor dem „Neuen Turm Babel“ durch Häuserschluchten rasen, hängen Entwürfe des Filmarchitekten Erich Kettelhut. In einer Vitrine liegt der Fotoband „Amerika. Bilderbuch eines Architekten“ von Erich Mendelsohn. Mendelsohn war 1924 auf demselben Schiff wie Lang nach New York gefahren, die Ähnlichkeit zwischen seinen Aufnahmen und Kettelhuts Zeichnungen ist frappierend. Ein Foto des „Amerika“-Bandes stammt sogar von Lang. Es zeigt den Broadway bei Nacht, überzogen von Reklamelichtern.

Knapp zweihundert Exponate sind im Filmmuseum versammelt, dazu gehören neben Kameras, Drehbuchseiten, Tricktableaus und Noten aus der Partitur des Filmkomponisten Gottfried Huppertz auch Skurrilitäten wie die 1000-Mark- Scheine einer Filmwährung, die Fritz Lang und Thea von Harbou als „Schatzmeister“ unterschrieben haben. Der Aufbau der Ausstellung gleicht einem Parcours durch die Schauplätze des Films. In der „Stadt der Söhne“ vergnügen sich die Kinder der Oberschicht bei Sport und Spiel, während in den Maschinensälen ein anonymes Heer kahl rasierter Arbeiter bis zum Umfallen schuftet. Der Erfinder Rotwang erschafft in seinem Spitzgiebelhäuschen einen weiblichen Maschinenmenschen, der die Proletarier zum Aufstand anstachelt. Der Showdown findet im mittelalterlichen Dom statt, hier kommt es zum Zweikampf zwischen Rotwang und Freder, dem von Gustav Fröhlich gespielten Helden.

„Die Masse von Männern und Weibern, mit improvisierten Fackeln ausgestattet, tanzt einen wüsten Tanz um die toten Maschinen, sich an den Händen haltend, in durcheinander wirbelnden Kettenkreisen“, heißt es im Drehbuch. Gleich gegenüber sind zwei nachgeschneiderte Filmkostüme zu sehen: die schwarze Leinenkluft eines Arbeiters, an Sträflingskleidung erinnernd, und der weiße Seidenanzug eines Sohns der Oberschicht. Thea von Harbou trat später der NSDAP bei, aber bei „Metropolis“ wirkt ihr Furor eher klassenkämpferisch. Zum Happy End gipfelt der Film in der Versöhnung von „Hirn und Händen“, Herrscher und Beherrschten. Für die amerikanische Fassung verlangte die Ufa-Direktion die „Beseitigung der Betitelung mit kommunistischer Tendenz“.

Der Plot von „Metropolis“ ist einigermaßen krude aus religiösen, mythologischen und literarischen Versatzstücken zusammenmontiert. Der Schriftsteller H. G. Wells nannte ihn 1927 den „dümmsten aller Filme“, der Kritiker Kurt Pinthus zählte damals in seiner Rezension ein Dutzend Bücher und Theaterstücke auf, bei denen sich Lang und Harbou bedient hatten. Der „Neue Turm Babel“, in dem der „Metropolis“-Herrscher Fredersen residiert, ist natürlich der Bibel entlehnt, und wenn Rotwang in seinem Labor allerlei Chemikalien aufblubbern lässt, um Hauptdarstellerin Brigitte Helm in die „Maschinen-Maria“ zu verwandeln, erinnert das an „Frankenstein“. Doch Kunst hat immer schon geklaut. Und bei den Bildern von „Metropolis“ bedient sich die Popkultur bis heute.

„The Complete Metropolis“ ist bis 25. April im Berliner Filmmuseum zu sehen (Potsdamer Str. 2, Di - So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr). Dazu erscheint das Buch „Fritz Langs Metropolis“, herausgegeben von der Stiftung Deutsche Kinemathek (400 S., 600 Abb., 49,80 €, Belleville Verlag, München).

Die von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restaurierte Uraufführungsfassung des Films von 1927 wird am 12. Februar während der Berlinale im Friedrichstadtpalast und in der Alten Oper in Frankfurt am Main gezeigt. Geplant ist auch eine Direktübertragung ans Brandenburger Tor. Infos:
www.metropolis2710.de

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