zum Hauptinhalt

Kultur: Milder Westen

Capa, Ruff, Newton: Auftakt bei den Herbstauktionen der Villa Grisebach

War es der Covergirl-Bonus oder die Aufmerksamkeit, die Marianne Breslauer, der Berliner Fotochronistin der „Goldenen Zwanziger“ auch mit der unlängst beendeten Retrospektive in der Berlinischen Galerie gezollt wurde? Breslauers Vintageprint dreier Mannequins in festlicher Rückenansicht, der den aktuellen Auktionskatalog der Villa Grisebach für Fotografie schmückt, hoben mehrere Saal- und Telefonbieter um mehr als das Sechsfache. Ein Schweizer Sammler erhielt den Zuschlag für das hochelegante Modefoto von 1932 bei 6500 Euro.

So deutliche Steigerungen wie diese waren allerdings selten bei der Fotoversteigerung der Villa, die den spätherbstlichen Auktionsreigen an der Fasanenstraße eröffnet. Gewohnt verhalten verlief der Eröffnungsnachmittag, die meisten zugeschlagenen Lose blieben im Rahmen ihrer Schätzpreise. 137 von 195 Losen konnten verkauft werden. Der Bruttoumsatz betrug insgesamt 512 000 Euro, was einer wertmäßigen Verkaufsquote von 113 Prozent entspricht.

Realismus statt Spekulationslust kennzeichnete diese Berliner Offerte – auch bei der zeitgenössischen Fotografie. Den höchsten Preis erzielte erwartungsgemäß Hiroshi Sugimotos Kinobild „U. A. Rivoli, New York“ von 1978 in einem späteren Abzug, das für 32 000 Euro (Taxe: 20 000–25 000 Euro) einer Saalbieterin zugeschlagen wurde. Helmut Newtons „2 Playmates with Lemon Tree“ in einer Zehnerauflage war einem New Yorker Sammler immerhin 13 000 Euro wert (Taxe: 7000–9000 Euro). Dieter Blums „American Adventure I“ im großformatigen C-Print von 1998 geht für 13 000 Euro in eine westdeutsche Sammlung. Die beiden galoppierenden Cowboys aus der Zigarettenwerbung in Achter-Auflage waren mit 12 000 bis 18 000 Euro geschätzt. Im Boomjahr 2007 hatte die Villa Grisebach mit einem großformatigen Unikat aus der Marlboro-Serie den Rekordpreis von 81 000 Euro erzielt.

Neben den sicheren Größen der Gegenwart – Thomas Ruffs „Haus Nr. 5 III“ von 1989 verfehlte allerdings mit 15 600 Euro knapp die untere Taxe – behauptete sich erstaunlich gut die Fotografie der sechziger Jahre. Walter Vogels Porträt von „Joseph Beuys“ mit totem Dürerhasen im Arm, 1965 fotografiert und 2010 digital neu ausgeplottet, hob ein Telefonbieter gegen die Konkurrenz im Saal von 1500 auf 6200 Euro. Rudolf Schwarzkogler dokumentierte die „3. Aktion, Wien, Sommer 1965“ in einer Vintage-Kassette, die nun 6100 Euro einspielte (Taxe: 2500–3500 Euro). Und für den von Alberto Diaz Gutierrez Korda 1960 in Havanna frontal abgelichteten Che Guevara bewilligte ein deutscher Sammler 8000 Euro (Taxe: 2550–3500 Euro). Revolution mit Sexappeal.

Revolutionäres bot auch der Blick zurück. Horst von Harbou, der Bruder der Drehbuchautorin Thea von Harbou, fotografierte 1925/26 am Filmset von Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“. Die 36 kulturhistorisch wie fotoästhetisch hochinteressanten Vintages aus dem Nachlass von Brigitte Helm, der weiblichen Hauptdarstellerin des Films, wurden einem Telefonbieter, der im Auftrag steigerte, zum unteren Schätzpreis von 5000 Euro zugeschlagen. Berliner Museen und Institutionen wie die Stiftung Deutsche Kinemathek haben offenbar nicht mitgeboten.

Für kräftige Zuwächse sorgte ein Konvolut von insgesamt 13 Vintages verschiedener Autoren aus dem Archiv des Bauhaus-Gründers Walter Gropius, die in neun Losen unter den Hammer kamen. Für ein Modellfoto von Gropius’ Haus Auerbach in Jena von 1924 bewilligte ein deutscher Privatsammler 3400 Euro (Taxe: 400–600 Euro). Eine „Construction 1926/2“ von Hannes Meyer, dem Nachfolger von Gropius im Amt des Dessauer Bauhaus-Direktors, erreichte mit 600 Euro lediglich einen Zuschlag unter Vorbehalt (Taxe: 800–1200).

Die Erwartungen einlösen konnten profunde Vintages von Éduard Boubat („Selbstporträt mit Lella“, 1952, Zuschlag: 10 000 Euro) oder Robert Capa („Spanischer Bürgerkrieg“, 7. November 1938, Zuschlag: 10 000 Euro). Dass der internationale Markt für klassische Fotografie etwas für Spezialisten ist, zeigte das Bietgefecht um das wunderbar kontrastreiche Vintage „Building, New York, 1932“ des hierzulande nur wenig bekannten Edward Quigley: Zwei Telefonbieter hoben die Ikone der stolzen Stadt von 1200 auf 4400 Euro. Ein Gruß nach New York. Und verdiente Entspannung im Saal.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false