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Kultur: Milliarden-Krise der Bahn: Abstellgleis: Das Minus der Bahn ist enorm - aber nicht neu. Trotzdem sind die Akteure überrascht

Die Bahn kommt - nun gar nicht mehr aus den Schulden heraus. Bis zu 1,2 Milliarden Mark Verluste wird das Staatsunternehmen jährlich einfahren, hat Verkehrsminister Reinhard Klimmt ausrechnen lassen.

Die Bahn kommt - nun gar nicht mehr aus den Schulden heraus. Bis zu 1,2 Milliarden Mark Verluste wird das Staatsunternehmen jährlich einfahren, hat Verkehrsminister Reinhard Klimmt ausrechnen lassen. Das gesamte Zahlendesaster liest sich noch schlimmer: Bis 2005 wird die Bahn AG 17 Milliarden Mark unter dem prognostizierten Gewinn liegen. Diese offiziellen Summen aus dem Verkehrsbericht von Reinhard Klimmt entsprechen in etwa den Szenarien, die Bahn-Chef Hartmut Mehdorn dem Haushaltsausschuss des Bundestages schon vergangenen Winter vorgetragen hat. Ende Februar, kurz nach Mehdorns Antritt als Vorstandsvorsitzender bei dem Sanierungskonzern, hatte er den Haushaltspolitikern das Ergebnis seines Kassensturzes vorgehalten. Wenn er jetzt nicht rationalisieren, entlassen und Strecken still legen dürfe, dann drohten der Bahn mehr als 13 Milliarden Mark Verluste und 20 Milliarden Mark Schulden.

Die Summen sind beachtlich. Mehdorns Rezepte sind es bisher nicht. So weigert sich der Bahnchef beharrlich, die 68 000 Kilometer Schienen einer eigenständigen Gesellschaft zu übertragen. Unabhängige Verkehrswissenschaftler fordern dies ebenso wie der Vorsitzende der Regierungskommission, Wilhelm Pällmann. Denn nur mit einer unabhängigen Netz AG hätten die privaten Bahn-Wettbewerber eine Chance, mit dem Monopolisten zu konkurrieren, sagen die Experten. Und Konkurrenz belebt das Geschäft. Wenn die Deutsche Bahn AG mit in- oder ausländischen Unternehmen um die Kunden kämpfen muss, wird sie sich unter dem Druck des Marktes verändern müssen.

Die Privatisierung des Netzes ist tabu

Mehdorn, Verkehrsminister Klimmt und der Bahnaufsichtsrat Dieter Vogel weigern sich jedoch beharrlich, vom Schienennetz zu lassen. So findet sich zu der Liberalisierung des Schienenweges auch kein Wort in dem Entwurf zu einem neuen Eisenbahngesetz. Ende September hat Klimmt das bis dahin unter Verschluss gehaltene Gesetz an die Länder verschickt. Bis zum 31. Oktober sollten die zuständigen Politiker der Länder dazu Stellung nehmen. Und sie sind, berichtet ein Insider, nicht angetan von dem Vorschlag. Denn wenn das Gesetz schon nicht die Privatisierung des Netzes regelt, können die Länder auch später nicht bei der Höhe der Preise für einen Schienenkilometer mitreden. Das jedoch ist wichtig für sie, da sie seit der Bahnreform für den Regionalverkehr auf den Strecken der Bahn AG zuständig sind. Die Länder wollen daher eine Art Regulierungsbehörde wie nach der Liberalisierung der Post- und Telekomdienste. Die Behörde hat entscheidend dazu beigetragen, dass Telefonbesitzer heutzutage bis zu 60 Prozent billiger telefonieren können als zu Zeiten des Monopolisten Deutsche Telekom.

An diesem Donnerstag treffen die Verkehrsexperten der Länder und diejenigen aus dem Hause Klimmt aufeinander. Dann werden sie sich auch über die rund zwei Milliarden Mark aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen streiten, die in Zukunft jährlich in die Sanierung des Streckennetzes fließen sollen. Denn auch hier möchte Klimmt die Hand darauf halten, seine Länderkollegen wollen aber mit entscheiden.

Die Verkehrsexperten wundern sich landauf landab über Bahnchef Mehdorn. Trotz seiner Klagen über Milliardenlöcher, macht er keine Vorschläge für vorrangige Sanierungsprojekte. Seit Mai warten sie auf seine Bahnprojekte, die in den neuen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden können. In dem Wortungetüm wird festgeschrieben, welche Straße mit wie viel Geld gebaut wird, welcher Schienenweg und welcher Kanal ausgebaut wird.

Die Autolobby steht schon bereit

Wenn die Bahn AG daran nicht mit arbeitet, wird der Plan ohne sie gemacht. Und dann, steht zu befürchten, setzen sich die Autofreunde durch. So wie Wolfgang Clement, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der Ende August seine Kollegen aus den SPD-regierten Ländern nach Düsseldorf eingeladen hatte, um über den Plan zu sprechen. Wenn von der Bahn nichts kommt, dann könne man doch auf die bisher nicht realisierten Vorhaben des alten Plans zurückgreifen. Der jedoch - noch unter der Kohl-Regierung verabschiedet - hatte maßgeblich zu dem Desaster bei der Bahn beigetragen.

Ulrike Fokken

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