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Kultur: Milzbrand-Alarm: Verdacht erregend

Es ist kein gewöhnlicher Brief, der da am 25. Oktober im Arbeitsamt der Thüringer Stadt eintrifft.

Es ist kein gewöhnlicher Brief, der da am 25. Oktober im Arbeitsamt der Thüringer Stadt eintrifft. Mit breitem Klebeband und den Worten "Islamabad, Pakistan" versehen, schöpft die Dame im Amt sofort verdacht. Merkwürdig ist nämlich auch, dass unter der Adresse "East Germany" auf dem Brief steht - die Briefmarke aber ist deutsch und offenbar hierzulande abgestempelt. Die Dame im Arbeitsamt legt den Brief sofort zur Seite und ruft die Polizei.

Man verpackt den Brief in eine Plastiktüte, die in ein Einweckglas kommt, die man wiederum in eine Tüte steckt. Dann kommt das Paket nach Jena, wo man schließlich feststellt: In dem Brief befindet sich das tödliche Milzbrand-Bakterium.

Zeitgleich meldet man aus Neumünster in Schleswig-Holstein, auf Anthrax-Sporen in einem Brief gestoßen zu sein.

Zum Thema Foto-Tour: Milzbrand weltweit --> Online Spezial: Bio-Terrorismus Stichwort: Milzbrand Hintergrund: Seuchenexperten Web-Link: Robert-Koch-Institut

Am gestrigen Freitag treffen die Proben per Hubschrauber in ein Hochsicherheitslabor des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin ein. Dort testet man die verdächtige Substanz noch einmal und stellt fest: Doch kein Milzbrand - "mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit", wie Reinhard Kurth, der Präsident des RKIs, am Abend die aufgeregten Journalisten zu beruhigen versucht.

Wie kann es zu solch unterschiedlichen Befunden kommen? Offenbar gibt es Erreger, die den Milzbrand-Bakterien sehr ähnlich sind. Sie kommen, wie Milzbrand auch, in der freien Natur vor. Diese Ähnlichkeit der Bakterien macht die genau Identifizierung, welche Erreger nun wirklich Milzbrand sind und welche nicht, äußerst schwierig.

Die große Verwandtschaft der Erreger allerdings wirft die Frage auf, ob nicht diese ähnlichen Bakterien ähnlich gefährlich sind. Experte Kurth winkt ab. "Es gibt sogar Milzbrand-Bakterien, die nicht krank machen", sagt er. "Diese Bakterien sind vollkommen harmlos."

Gefährliche Milzbrand-Erreger sind zumindest in Deutschland schwer aufzutreiben. "Einer der außen steht, kommt nicht an Milzbranderreger", sagt Bernd Thriener, Direktor vom Landeshygieneinstitut Sachsen-Anhalts in Magdeburg. Milzbrand-Bakterien, wie auch andere Krankheitserreger, werden nur in wenigen Labors, vor allem im tiermedizinischen Bereich, zu diagnostischen Zwecken gezüchtet.

Allerdings darf man die Gefahr vor terroristischen Anschlägen mit Milzbrand auch nicht unterschätzen. Das Fachmagazin "The Lancet" stuft es als die "ernsteste" Biowaffe ein. Um die Bakterien herzustellen, müsse der Terrorist nur über "mikrobiologische Basisfähigkeiten" verfügen. Da die Post mit dem tödlichen Pulver aus der ganzen Welt kommen kann, beruhigt es nur wenig, dass es den Erreger hierzulande nur selten gibt.

Kurth spricht bereits von der "lästigen Routine", ständig irgendwelche Proben zu untersuchen. Trotzdem muss und wird er weiter prüfen, denn: "Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird."

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