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Jörg Schüttauf (l.) und Franziska Troegner.

© Der Dehmel/Urschat

"Misery" am Schlosspark Theater: Duell mit dem Todesengel

Stephen Kings „Misery“ ist schon vor Jahren für die Bühne adaptiert worden. Jetzt hat das Schlosspark-Theater den Stoff für sich entdeckt - und inszeniert ihn als packende Nachtfantasie.

Ich bin Ihr größter Fan! Wo dieser Satz fällt, schrillen bei Künstlern die Alarmglocken. Wissen sie doch, dass derlei bedingungslose Hingabe nach Gegenleistung verlangt, zumindest in Form tiefer Dankbarkeit und persönlicher Zuwendung. Was ja nur zur Enttäuschung führen kann. Und dann liegt ganz schnell eine tote Ratte im Briefkasten. Oder Schlimmeres.

In Stephen Kings Roman „Misery“ macht der Schriftsteller Paul Sheldon die gruseligste Fanbekanntschaft aller Zeiten. Er hat einen Preis für seine Kitschromanserie „Misery“ verliehen bekommen. Nach pflichtbewusst absolvierter Dankesrede setzt er im dichten Schneetreiben seinen Wagen in den Graben. Und wird von der ehemaligen Krankenschwester Annie Wilkes gerettet. Wobei – gerettet ist hier relativ. Annie ist nämlich sein größter Fan. Und denkt gar nicht daran, den aus der Bewusstlosigkeit erwachenden Paul wieder gehen zu lassen.

„Misery“ ist 1990 mit Kathy Bates und James Caan werktreu und spannend verfilmt worden. Natürlich hat sich der Stoff wegen des beklemmenden Kammerspiel- Settings auch auf Bühnen rund um die Welt bewährt. Jetzt hat das Schlosspark Theater die Schauerstory für sich entdeckt. Eigentlich (Achtung, Kompliment) ist die Hallervorden-Bühne ja kein Hort des Horrors. Es geht im Theater aber auch nicht so blutig zu wie im Buch. Die Adaption des amerikanischen Autors Simon Moor ist von King selbst autorisiert.

Sie ist eine dankbare Psychoduell-Vorlage für zwei Schauspieler, die Regisseur Thomas Schendel auf der Wohnverlies- Bühne von Daria Kornysheva wirksicher nutzt. Franziska Troegner spielt Annie, die eine Karriere als Todesengel in mehreren Krankenhäusern hinter sich hat und Paul zwingt, seine beerdigte Romanheldin Misery wiederauferstehen zu lassen. Troegner gibt nicht einfach die Geisteskranke, sondern hält Annie sehenswert in der Balance zwischen kindlicher Grausamkeit, abgründiger Sehnsucht und gefährlicher Schläue. Jörg Schüttauf ist in der Opferrolle als Paul Sheldon ebenso stark. Ein Snob, der verachtet, was er tut und sich zu Höherem berufen fühlt. Und der bald als tablettensüchtige Geisel den Schund buchstäblich um sein Leben schreibt.

„Misery“ ist auch in der Theaterversion eine packende Nachtfantasie über das unentrinnbare Abhängigkeitsverhältnis von Künstler und Publikum. Und ein funkelnd sarkastischer Kommentar zur beliebten Frage an jeden Autor: „Woher nehmen Sie nur Ihre Ideen?“

wieder 3. bis 5. Dezember, 20 Uhr, weitere Vorstellungen von Januar bis Mai

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