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Kultur: Mission possible

Im Auswärtigen Amt in Berlin diskutieren Vertreter europäischer Kulturinstitute über Strategien für die Zukunft

Auf die Frage, warum er sich so gerne mit Bankiers und Industriellen unterhalte, soll der finnische Komponist Jean Sibelius geantwortet haben: Mit denen kann man wenigstens über Kunst reden, Künstler reden ja immer nur vom Geld. Ilkka-Christian Björklund, Bürgermeister für Kultur der Stadt Helsinki, erzählte die Anekdote auf der Konferenz „Kulturpolitische Strategien – Anspruch und Wirklichkeit“ im Auswärtigen Amt. Ausgerichtet wurde das Treffen von den europäischen Kulturinstituten der Hauptstadt, die sich im Februar 2003 zur Gründung eines Dachverbandes zusammengeschlossen haben. Man wollte wissen, ob „Kultur-Politik“ nicht ein „Widerspruch in sich“ sei, wie man die Völker in Museen, Konzerte und Ausstellungen locken kann und ob eine gemeinsame europäische Kulturpolitik eine mission impossible bleiben muss.

Was es mit der Rede vom langen Weg nach Europa tatsächlich auf sich hat, zeigt ein Blick auf die äußerst disparaten kulturpolitischen Erfahrungen der einzelnen Länder. In Polen hatte man nach 1989 ausschließlich auf eine Selbstverwaltung der Kultur und privates Sponsoring gesetzt – und damit Schiffbruch erlitten. Nun aber, so der Publizist Adam Krzeminski, wo die öffentliche Hand wieder eingreift, sehen sich Kultureinrichtungen von einer neuen Art der Zensur durch lokale Politik beeinträchtigt.

In der Tschechischen Republik gilt immer noch Vaclav Klaus’ geflügeltes Wort vom Beginn der Neunzigerjahre: Das Land befinde sich in einer Periode der Renovierung, die Bücher müssten währenddessen auf dem Balkon platziert werden. In kleinen Ländern wie der Tschechischen oder Slowakischen Republik, erzählt der aus der Slowakei gebürtige Autor und Übersetzer Peter Ambros, fließt das wenige Geld in die Repräsentation nach außen, anstatt im Inneren eine "kulturelle Atmosphäre" zu schaffen.

In Finnland verstehen private Sponsoren dagegen ein reiches Kulturangebot mittlerweile selbstverständlich als ökonomischen Standortvorteil. Während man in Osteuropa – aus leidiger Erfahrung – staatliche Aktivitäten misstrauisch beäugt, scheint im Westen die Zuversicht verbreitet, Kulturpolitik könne eine durchaus sinnvolle Angelegenheit sein. Nämlich dann, wenn Politik sich darauf beschränkt, Rahmen zu schaffen, die von den Kulturproduzenten eigenverantwortlich ausgefüllt werden.

Jenseits der finanziellen Probleme haben die Europäer aber noch vollauf mit ihrer Selbstbeschreibung zu tun. Bei aller gemeinsamen Fundierung in griechisch-römischer Antike oder christlich-jüdischer Tradition gibt es Diskussionsbedarf vor allem zwischen den alten und neuen Mitgliedsländern. Die Irritationen waren nachhaltig, erzählt Ambros, als die osteuropäischen Kulturen mit ihrem Widerstandsethos des „J’accuse“ auf den postmodernen Unernst des Westens stießen. An Verbindendem mangelt es dennoch nicht. Im Osten, so der rumänische Physiker und Philosoph Horia Patapievici, gab es immer zwei Kulturen: die eigene nationale und eine westliche „Prestige-Kultur“. Letztere galt als universale, an ihr richtete man sich aus.

Den kleinsten gemeinsamen Nenner der europäischen Vereinigung wollte der scheidende AdK-Präsident György Konrád in einem „Humanismus ohne Attribut“ sehen. Nach 1989 sei neu an diesem Verbund, dass er nicht mehr im Zeichen ideologischer oder nationaler Ambitionen stehe und sich nunmehr auf die „Würde des Einzelnen“ gründen könne. Künstlern aller Sparten, wollte Konrád darum ganz unironisch eine Existenzsicherung qua Verbeamtung bescheren. Dann müssten sie nicht mehr ständig vom Geld reden.

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