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Kultur: Mit Rückporto (Kommentar)

In dieser Woche machte sich die "FAZ" auf ihren Berliner Seiten einen kleinen Spaß. Sie druckte, wie Fahndungsfotos von gesuchten Terroristen, in vier Fünferreihen die Autogrammkarten "unserer wichtigsten Politiker", die jemand im Internet zum Verkauf angeboten hatte.

In dieser Woche machte sich die "FAZ" auf ihren Berliner Seiten einen kleinen Spaß. Sie druckte, wie Fahndungsfotos von gesuchten Terroristen, in vier Fünferreihen die Autogrammkarten "unserer wichtigsten Politiker", die jemand im Internet zum Verkauf angeboten hatte. Darunter stellte man eine Preisliste: Ein Bild von Helmut Schmidt, handsigniert, kostet 28 Mark, eines von Walter Leisler Kiep 12 Mark, Kopf und Unterschrift von Johannes Rau sind 6 Mark wert und so runter bis Gerhard Schröder, für den man 2 Mark zahlen muss. (In dieser illustren Politikerrunde tauchte auch ich als "Irrläufer" auf, unter all den Kohls, Genschers, Kiechles, Herzogs. Ein kleiner Gag unserer jungen Herren, erklärte mir der verantwortliche Redakteur. Na gut.)

Nicht zuletzt deshalb fühle ich mich aufgerufen, Autogrammsammlern zur Hilfe zu eilen. Denn wenn die "FAZ", die in Zeiten der schwarzen Kassen und Millionenkoffer die Wohlfeilheit, ja Billigkeit von Politikern auf Autogrammkarten ironisieren will, behauptet: "An Politikern kann man zur Zeit kein Geld verdienen", so führt sie den (bescheidenen) Teil ihrer Leser, die Autogrammkarten sammeln, peinlich in die Irre. Ich nehme mein Beispiel: 3 Mark kostet, laut "FAZ", meine Autogrammkarte im Internet. Selbst dieser geringe Preis ist aber noch rausgeschmissenes Geld, denn eine signierte Autogrammkarte von lebenden, also unter uns weilenden Politikern, Künstlern, TV-Sprechern, Stars, kostet maximal 2,20 Mark. Und das kommt so: Um ein Autogramm zu bekommen, braucht man die gewünschte Person nur unter ihrer Autogramm-Adresse anzuschreiben, einen frankierten Rückumschlag beizulegen - und schon kriegt man eine Autogrammkarte. Warum also für Roman Herzog 11 Mark berappen, wenn man ihn für 2,20 Mark haben kann?

In Wahrheit noch billiger, in Wirklichkeit um den Preis von einem Drittel von 2,20 Mark, also um den Betrag von 73,3 Pfennigen. Wie das? Weil nämlich die meisten Autogrammjäger in ihrem einen Brief um drei Autogramme bitten, entweder indem sie schreiben, sie wollten auch für ihre Schwester und ihren Bruder eines. Oder indem sie nur aufs Zuklebedreieck der Umschlagrückseite innen lakonisch vermerken: Erbitten drei signierte Autogrammkarten. Die so Angeschriebenen erfüllen solche Wünsche gern und klaglos. Es ist ein Geschäft auf dem Trödelmarkt der Eitelkeiten. Wirklich teuer sind eigentlich nur Autogrammkarten von Verblichenen; die können nämlich, weil unbekannt verzogen, postalisch nicht erreicht werden. Sie sind in jenem Land, aus dem, laut Hamlet, "kein Wandrer wiederkehrt", also auch keine frankierten Rückbriefumschläge.

Hellmuth Karasek

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