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Bezieht Stellung: Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

© picture alliance / dpa

Monika Grütters zum Kulturgutschutzgesetz: Wir reden von Kunst, dem Handel geht es ums Geld

Kunst hat nicht nur einen Preis, sondern vor allem einen Wert: eine Replik auf Peter Raues Kommentar zum Kulturgutschutzgesetz.

Im Tagesspiegel vom 22. Oktober setzt sich der Anwalt und Kunstexperte Peter Raue mit der Novelle des Kulturgutschutzgesetzes auseinander, das sich in der Ressortabstimmung befindet. Seine Anmerkungen geben Anlass zu Klarstellungen.

Peter Raue reduziert die Bedeutung des Gesetzes auf die Handelsbedingungen des deutschen und europäischen Kunstmarkts. Aber es geht auch um die Frage: Wo kann Kultur identitätsstiftend sein, und wie versuchen wir unser kulturelles Erbe zu schützen? Nationale Identität erwächst zuallererst aus dem Kulturleben eines Landes. Gerade angesichts immer rücksichtsloserer Märkte muss man mit Kunst anders umgehen als mit Gartenmöbeln oder Bettwäsche. Kunst hat auch einen intrinsischen Wert – unabhängig von jeder Währung und jedem Marktpreis.

Peter Raue spricht von einem „Anachronismus“ angesichts der globalen Wirtschaftsbeziehungen, „wenn bestimmten Werken die Bleibepflicht in Deutschland verordnet“ wird. Er verkennt, dass es nicht allein um den freien Warenverkehr geht, sondern um den Schutz unseres kulturellen Erbes.

Dieser ist seit Anbeginn im Grundgesetz verankert. Dazu zählt auch, die Abwanderung national wertvollen Kulturguts zu verhindern – wir reden also über sehr wenige, besonders bedeutsame Kunstwerke, über einen verschwindend kleinen Teil des riesigen Kunstmarkts.

Es geht nicht um Enteignung

Selbstverständlich kann Raue mit einem Bild von München nach Salzburg fahren, das älter als 70 Jahre und wertvoller als 300 000 Euro ist. Er braucht dafür – wie in fast ganz Europa – lediglich eine Ausfuhrgenehmigung, die in fast allen Fällen erteilt wird. Offenbar verwechselt er diese Genehmigungen mit den Kriterien für national wertvolles Kulturgut.

Nur wenn ein Kunstwerk „besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands und damit identitätsstiftend für Deutschland ist, seine Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde und deshalb sein Verbleib im Bundesgebiet im herausragenden kulturellen öffentlichen Interesse liegt“, dürfte er es nicht nach Salzburg bringen. Das Gleiche gilt übrigens heute schon für Zürich, da außerhalb der EU.

Raue empfiehlt, dass der Staat derartige Werke selbst erwerben sollte. Da er viele solcher Verkäufe anwaltlich begleitet, sollte er wissen, dass der deutsche Staat solche Werke immer wieder ankauft. Die Kulturstiftung der Länder wurde 1988 zu diesem Zweck gegründet und hat seitdem über 160 Millionen Euro an Ländermitteln investiert. Der Bund beteiligt sich regelmäßig, ebenso private Geldgeber. So konnte Kunst im Wert von über 600 Millionen Euro erworben werden.

Der gebetsmühlenartig wiederholte Wunsch des Juristen nach einem „Vorkaufsrecht der öffentlichen Hände“ ändert nichts daran, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits 1993 entschied, es könne nicht Sache des Staates sein, „sich durch Ausübung eines Vorkaufsrechts am internationalen Kunsthandel zu beteiligen und auf diesem Wege wertvolles Kulturgut zu verstaatlichen“. Übrigens kann etwa Großbritannien auf diese Weise nur die niedrigpreisigen Werke im Land halten, während ein Ankauf der hochpreisigen Nationalschätze selten gelingt.

Peter Raue unterstellt, die Staatsministerin verschanze sich bei den Ausfuhrregeln hinter EU-Vorschriften. Das haben wir nie getan. Die EU-Regel, die fristgerecht umgesetzt werden muss, betrifft Vorschriften zur Rückgabe illegal verbrachten Kulturguts.

Auch behauptet er: „Deutschland wird mit dem geplanten Gesetz die schärfsten Restriktionen des Kunsthandels schaffen.“ Hier irrt Raue: 26 von 28 EU-Ländern haben längst Ausfuhrregelungen für den Handel mit Kulturgut im europäischen Binnenmarkt; Länder wie Italien und Frankreich weit strengere als die für Deutschland vorgesehenen. Deutschland wird mit seinen Binnenmarktregeln weit großzügigere Handelskriterien einführen, und der im deutschen Kunstmarkt überwiegende Handel mit zeitgenössischer Kunst ist von den neuen Regeln ganz ausgenommen.

Keine Ware wie jede andere

Auch irrt er, wenn er glaubt, dass der Staat „jederzeit jedes Werk, von dessen Existenz im Privatbesitz er erfährt“ auf die Liste des Kulturgutschutzgesetzes setzen darf. Das ist nicht Intention des Gesetzes, liegt nicht in der Macht und nicht im Interesse des Staates. Es geht nicht um Enteignung.

Richtig ist vielmehr: Die Eintragung national wertvollen Kulturguts durch die Länder auf deren Listen ist seit 1955 gängige Praxis. Die Voraussetzungen dafür werden mit der Novelle nicht erweitert, kein Eigentümer wird gegenüber der geltenden Rechtslage schlechter gestellt. Die Einzelfallentscheidungen über national wertvolles Kulturgut treffen künftig mit Sachverständigen besetzte Gremien in den Bundesländern, wodurch den Ministern auch auf Landesebene wohlbegründete Grenzen gesetzt sind. Da Peter Raue diese längst vorhandenen Gremien aus seiner anwaltlichen Praxis kennt, wäre es redlich gewesen, auf deren Rolle zu verweisen, statt die Eigentümer auf polemische Art gegen das Gesetz aufzubringen.

Peter Raue spricht von „zahllosen, angesichts des drohenden Gesetzes schon jetzt ins Ausland verfrachteten Werken“. Dieses Gesetz gibt niemandem, der es gelesen hat, Anlass zu derartigen Kurzschlusshandlungen (Achtung: Viele Zielländer haben strengere Kulturgutschutzregeln, auch Zollfreilager in der Schweiz sind keine rechtsfreien Räume).

Offensichtlich hat der Kunsthandel andere Interessen als den Schutz des kulturellen Erbes. Wo wir von Kunst reden, geht es dort um Geld. Aber auch der vom Bundesverband der deutschen Galeristen mandatierte Anwalt Peter Raue sollte als Bürger dieses Staates die Kunst und die Künstler nicht aus dem Auge verlieren. Kunst ist keine Ware wie jede andere. Sie hat ihren Preis, vor allen Dingen aber hat sie für uns alle einen hohen Wert.

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