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Kultur: Monika Maron: Quer über die Gleise

Sehen, reden, lesen: Erst sahen wir ihr Bild, dann lernten wir ihren Namen aussprechen, dann lasen wir ihr erstes Buch. Das Foto, das Roger Melis von Monika Maron angefertigt hatte, zeigte eine schöne, ernst blickende Frau.

Sehen, reden, lesen: Erst sahen wir ihr Bild, dann lernten wir ihren Namen aussprechen, dann lasen wir ihr erstes Buch. Das Foto, das Roger Melis von Monika Maron angefertigt hatte, zeigte eine schöne, ernst blickende Frau. Ihr Name sollte auf der ersten Silbe betont werden, sie hatte ihn von ihrem Stiefvater bekommen, der einmal Innenminister der DDR gewesen war. Wir lasen mit Spannung "Flugasche", die Geschichte der Journalistin Josefa Nadler, die ihre Reportage über ein Kraftwerk in B wie Bitterfeld nicht gedruckt sieht. Es war der erste Umweltroman aus der DDR. Deswegen durfte er dort auch nicht erscheinen.

In der Collection S. Fischer folgte ein Band mit früher geschriebenen Erzählungen und einem Stück - "Herr Aurich", die Geschichte vom Ende eines Funktionärs, wollte in Erinnerung bleiben -; sie erscheint in diesen Tagen ein zweites Mal. Dann schrieb Monika Maron, die Tochter aus gut antifaschistischem Hause, Bücher, in denen sie Entwürfe vom eigentlichen Leben ausbreitete, sehnsüchtig in vielen Zungen von Liebe und Tod redend. Das "Zeit-Magazin" lud sie 1987 ein, einen deutsch-deutschen Briefwechsel mit Joseph von Westphalen zu führen. Die Debatten über Glasnost, die Perestroika und die DDR endeten im Dissens. Ein Jahr später reiste die Autorin aus der DDR aus, es sei ihr, sagte sie, dort "zu eng" geworden.

Was würde die gelernte Fräserin, die Theater- und Kunstwissenschaftlerin im "Westen" tun? Die deutsche Wende führte sie zum Journalismus zurück. Sie schrieb, redete, debattierte und machte sich neue Feinde in Ost und West, als sie Kollegen vorwarf, sie seien, weil privilegiert, über das west-warensüchtige DDR-Volk enttäuscht.

Es erschien: "Stille Zeile Sechs", die Geschichte einer tapferen Schreibkraft, die ihrem Chef, dem Funktionär, sagt, weshalb er falsch handelte und falsch handeln musste. In "Animal triste" erzählte Monika Maron von einem Liebestrauerfall (dazu wunderbare Nebengeschichten), mit "Pawels Briefe" berichtete sie ihre Drei-Generationen-Familiensaga, zwischendurch blieben Zeit und Lust für hellsichtige Essays - über den blöden Hochmut der guten Westmenschen und das entwickelte Selbstmitleid der traurigen Ostmenschen zum Beispiel.

Dass plötzlich Nachrichten über Monika Marons Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit auftauchten, verursachte einige Aufregung. Wer ihre Berichte liest, erkennt, dass sie auch diese Texte schrieb, wie sie alle ihre Texte schreibt: im Lichte der Erfahrung und der Wahrheit, lauter, beherzt und radikal.

Monika Maron ist eine Autorin, die nicht lügen kann, die lediglich das Erlebte ordnen, die nicht wirklich fiktiv erzählen will. "Zum Heulen finde ich bis heute, dass Schrauben, Tee, Obst, Kleider, Technik, kurz alles besser ist als bei uns" - das sagt nicht eine ihrer immer wiederkehrenden Figuren, das erklärte Monika Maron selbst, 25 Jahre ist es her, in einem Bericht für den Staatssicherheitsdienst über eine Westreise. Es ist schwer, zeigen uns ihre Heldinnen, entschieden zu lieben und zu leben und dabei gerecht zu bleiben. "Quer über die Gleise" heißt Monika Marons jüngster Essayband. Das soll gelten.

Konrad Franke

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