zum Hauptinhalt

Kultur: Monte Carlos Rache - Er dirigiert sich selbst beim Berliner Philharmonischen Orchester

Eines haben der künftige Intendant der Deutschen Oper Berlin, Udo Zimmermann, und Peter Ruzicka, der designierte Salzburger Festspielchef, gemeinsam: Die beiden dirigierenden Komponisten-Kulturmanager achten strikt darauf, dass in ihrem Herrschaftsbereich eigene Werke nicht erklingen. Wer will sich schon dem Vorwurf aussetzen, er nutze seine Macht für Eigenwerbung?

Eines haben der künftige Intendant der Deutschen Oper Berlin, Udo Zimmermann, und Peter Ruzicka, der designierte Salzburger Festspielchef, gemeinsam: Die beiden dirigierenden Komponisten-Kulturmanager achten strikt darauf, dass in ihrem Herrschaftsbereich eigene Werke nicht erklingen. Wer will sich schon dem Vorwurf aussetzen, er nutze seine Macht für Eigenwerbung? Lorin Maazel hat damit offensichtlich keine Probleme. Bei seinem Auftritt mit dem Berliner Philharmonischen Orchester lagen gleich zwei seiner Werke auf den Pulten.

"Es klingt ein bisschen dumm, aber manchmal stehe ich da und höre genau die Noten, die ich schreiben will. Und dann schreibe ich gleichsam unter Diktat, manchmal fünf, zehn, zwanzig Minuten, und sehr, sehr schnell." Das könnte auch ein Zitat von Richard Wagner sein. Im Gegensatz zum Bayreuther Meister will sich im Fall Maazel der Wunsch nicht einstellen, jene mirakulöse Stimme kennenzulernen, die ihm seine Ideen einflüstert. Eine derart banale Komposition wie des Maestros "Monaco fanfares" op. 8 möchte man nicht einmal im Traum diktiert bekommen: Inspiriert vom Wachablösungszeremoniell der monegassischen Garde, präsentiert sich die Komposition in demselben kostümfilmhaften Stilmischmasch wie das Duodezfürstentum von Monte Carlo. Die Komposition sei ein "Akt der Selbstverteidigung" erklärt Maazel im Programmheft - schließlich müsse er als Anwohner täglich das Tschingerderassabumm der echten Monaco-Fanfaren ertragen. Der Arme! Wer mag ihn wohl gezwungen haben, seinen Lebensmittelpunkt in diese lästig lärmige Stadt zu verlegen?

Maazels Opus 11, das anschließend in der deutlich nicht ausverkauften Philharmonie erklingt, lässt sich nur mit dem Wort "glibbrig" beschreiben. Rund 120 Instrumente einschließlich Cembalo, Tuba und Castagnetten haben eine amorphe Tonmasse aus geschreddertem Impressionismus und gut eingeweichtem Neoklassizismus 30 Minuten lang zu kneten, wobei die Versatzstücke möglichst schnell innerhalb der Instrumentengruppen weiter zu reichen sind, damit der Hörer bei all dem Glissandieren und Changieren die konventionelle Machart des Klangmaterials nicht erfassen kann. Über diese orchestralen Schlickrutschereien erhebt sich eine Flötenstimme, deren geschwätziges Praeludieren der philharmonische Soloflötist Emmanuel Pahud mit derselben professionellen Akkuratesse absolviert wie seine Kollegen den Orchesterpart.

Zu den Lieblingsbonmots Maazels gehört, dass "Musik die Sprache der Seele" sei. Wie es in seiner eigenen aussieht, machte der Dirigent mit der immer noch elegantesten Schlagtechnik seiner Zunft in Bela Bartoks "Konzert für Orchester" von 1943 deutlich. Zweifellos handelt es sich um ein virtuos erdachtes Opus von hoher Intellektualität, sicher lässt es sich als gleißend strahlendes Monument der Klassischen Moderne auffassen - gerade, wenn man mit einem Spitzenorchester arbeitet, bei dem handwerkliche Fragen keine Rolle spielen. Durch emotionales Schockgefrieren allerdings wird man Bartok nicht gerecht. Chromblitzende Oberflächen sind etwas für Oldtimer, nicht für Alterswerke.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false