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Kultur: Moralisch ist schön

MUSIKTHEATER

Vielleicht werden Computer- und Nanotechnologie den Menschen schon bald vom Thron der evolutionären Überlegenheit stoßen. Das jedenfalls sagen begeisterte Wissenschaftler im dritten der „Three Tales“ der Videokünstlerin Beryl Korot. Mit immer wieder angestochenen Eizellen und stark rhythmisierten Aussagen der Zellforscher beeindruckt dieser Teil stark, während das nach allen Regeln zeitgenössischer Videokunst montierte Dokumentarmaterial zur Hindenburg-Katastrophe in Lakehurst und zur ersten Atombombenzündung im Bikini-Atoll recht kalt lassen. Begeistert erzählende Menschen sind einfach interessanter als computeranimierte Zahlenreihen und Textbruchstücke. So hätte man gerne mehr gehört von Freya von Moltke oder vom Ex-König des Bikini-Atolls. Zumal die Musik ihres Lebensgefährten Steve Reich diese Bilder nur demütig umspülen darf. In der Verwendung rhythmischer Muster und harmonischer Verschiebung zeigt er sich zwar auf der Höhe seines Könnens, doch bleibt der Eindruck seltsam blass. Das Ensemble Modern sitzt auf der Bühne des Hebbeltheaters unter einer großen Leinwand und musiziert unter dem Dirigenten Bradley Lubman sehr ansprechend. Auch die fünf Solisten der „Synergy Vocals“ singen recht schwungvoll, doch letztlich handelt es sich um einen Filmessay mit ambitioniertem Soundtrack. Im zweiten und dritten Teil zitiert Korot ausgiebig aus der Bibel und zerstört durch Moralisieren den nachhaltigen Eindruck der Bilder. Die Botschaft wird verdoppelt, aber nicht verstärkt. Kurzweilig und dekorativ gibt sich die Veranstaltung, die versprochene Verbindung ergreifenden Musiktheaters mit den Möglichkeiten der Videotechnik hat allerdings noch nicht stattgefunden.

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