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Kultur: Mortier will Österreich vorzeitig verlassen - Ein wohl dosierter Protest? (Kommentar)

Da könnten die Berliner dem Jörg Haider auch noch dankbar sein. Das passt.

Da könnten die Berliner dem Jörg Haider auch noch dankbar sein. Das passt. Gerard Mortier, der künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele, will Österreich vorzeitig verlassen - aus Protest gegen die Machtbeteiligung der FPÖ. Mortiers Vertrag liefe noch bis zum Herbst 2001. Nun wirft er aber nicht sogleich die Brocken hin, geht nicht schnurstracks über die Grenze, sondern bleibt bis zum Salzburger Saisonschluss im August 2000. Ein merkwürdiger, ein wohl dosierter Protest. Hat Mortier womöglich andere Beweggründe als vorauseilenden Haider-Horror?

Da kommt Berlin ins Spiel. In den vergangenen Monaten ist der international gerühmte Kulturmanager in der deutschen Hauptstadt gelegentlich gesehen worden, und immer fiel sein Name, wenn es um die Zukunft der Berliner Festspiele ging. Gerard Mortier als Nachfolger von Ulrich Eckhardt - eine Idealbesetzung! Da sind sich ausnahmsweise einmal die Politiker und Künstler und auch Journalisten einig. Eckhardt geht Ende 2000, nach bald drei Jahrzehnten an der Spitze der Festspiele, in den Ruhestand. Seine Verdienste sind immens - und immense Erwartungen werden an eine neue Berliner Festspiel-Kultur geknüpft. Alle wollen immer nur den Einen - Mortier! Jetzt wäre er frei. Rechtzeitig.

Und da gerät Berlin schon wieder ins Abseits. Kultursenatorin Christa Thoben hat in dieser Zeitung die Einsetzung einer "Findungskommission" angekündigt. Was streng genommen eine Brüskierung wäre, wenn man wirklich schon einen Kandidaten hat, und zwar den besten. Doch es gibt keine Kommission. Es gibt im Senat und auch im Haus des Kulturstaatsministers überhaupt keine Eile in der Festspiel-Frage. Es sieht so aus, als sei dies keine Chefsache, weder auf Landes- noch auch Bundesebene. Es geht doch nur um die wichtigste Position, die Berlin in der Kultur zu vergeben hat.

Gerard Mortier ist kein Österreicher, sondern Belgier. Flame, um präzis zu sein. Nun ist Belgien ein vielleicht noch merkwürdigeres kleines Land als Österreich. Aber für ihre Künstler tun zumal die Flamen alles, da kennen sie nichts. Aus seiner Heimatstadt Gent hört Gerard Mortier unwiderstehliche Lockrufe: Eine Professur wollen sie ihm einrichten und ein eigenes, nagelneues Performance-Zentrum. Und Berlin? Die Provinz plappert über den Wundermann. Aber niemand spricht mit ihm.

Rüdiger Schaper

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