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Moscheebau: Endlich angekommen

In Duisburg eröffnet Deutschlands größte Moschee und zeigt: Die islamischen Gotteshäuser müssen nicht zur Ausgrenzung führen wie zum Beispiel in Berlin Pankow, sondern können auch zur Begegnung zwischen den Kulturen beitragen.

Erbaut auf einem Areal, das lange der Schandfleck von Duisburg-Marxloh war, erhebt sich nun eine Moschee, die keiner übersehen kann. Über einem Rechteck von 40 mal 28 Metern erhebt sich eine zentrale, 23 Meter hohe Kuppel, die von vier Halbkuppeln und zehn kleineren Kuppeln umringt wird: Dieses riesige silberne Kuppeldach soll die Gebete von bis zu 1200 Gläubigen schützen. Mit einem 34 Meter hohen Minarett, einem monumentalen Leuchter in der großen Säulenhalle, den farbenfrohen ornamentalen Wandbemalungen und den blauen Keramik-Fliesen an den Wänden ist das Bauwerk nach einem Entwurf von Cavit Sahin ganz dem traditionellen osmanischen Moscheebau verpflichtet – ein Stück Sehnsuchtsarchitektur.

Und doch wirkt diese vorerstgrößte Moschee Deutschlands trotz des erhabenen Raumgefühls im Vergleich zu ihrem historischen Vorbild – der Blauen Moschee von Istanbul – eher bescheiden; auch die Moschee in Köln-Ehrenfeld wird um einiges größer. Nicht ganz so bescheiden ist die Eröffnungsfeier kurz nach der Buchmesse mit ihrem Gastland Türkei. 5000 Gäste werden am 26. Oktober in Duisburg erwartet.

Der Bau markiert eine neue Etappe auf dem Weg der Integration der Türken in Deutschland und entspricht dem politisch stichhaltigen Wunsch, nicht nur „Gast“, sondern endlich auch „Gastgeber“ zu sein. Einen Kulturstreit zwischen Islam und Christentum, eine Bürgererregung wie in Köln oder wie um die am Donnerstag eröffnende Moschee in BerlinPankow (siehe S. 10) gab es in Duisburg nicht: Eine breite Phalanx aus Lokalpolitik, bürgerschaftlichem Engagement und Kirchenvertretern unterstützte das Projekt. Hier scheint es gelungen zu sein, die Menschen bei dem Vorhaben „mitzunehmen“, so dass trotz manch unvermeidlicher Unkenrufe auch alteingesessene Bürger das Bauwerk als „ihre“ Moschee ansehen. Dass sich die viel gescholtene Mehrheitsgesellschaft in einer Mischung aus Multikulturalismus und Lokalpatriotismus hier einmal zukunftsorientiert zeigt, ist vielleicht das eigentliche „Wunder von Marxloh“.

Dabei ist der Moscheebau kein „Gnadenakt“, sondern die späte Einlösung des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Religionsfreiheit. Die Religion der ersten Migrantengeneration war noch delokalisiert. Am Anfang improvisierte man: In Hinterhofmoscheen oder Kellergeschossen der Konzerne wurde der Versuch unternommen, das eigene religiöse Ritual in einer christlich-säkularen Lebenswelt unterzubringen. Moscheen fanden sich dort, wo sie kein öffentliches Ärgernis erregen konnten, in den Peripherien der Städte. Noch Anfang der 1970er Jahre wurden sie in München zwischen Klärwerk und Straßenstrich angesiedelt.

Aber die Zeit, in der muslimische Gebetshäuser aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit ins Schummerlicht verbannt wurden, ist vorbei. Die Moschee in Duisburg beweist, dass die Türken in Marxloh heimisch geworden sind. Die Akzeptanz hat allerdings ihren Preis: Der Bau wurde mit vier Millionen Euro aus kommunalen und europäischen Fördermitteln bezuschusst und in drei Jahren Bauzeit umgesetzt. Die Förderung war mit der Bedingung verbunden, unter der Kuppel ein tausend Quadratmeter großes interkonfessionelles Begegnungszentrum einzurichten. Die Verantwortlichen von der Duisburger Entwicklungsgesellschaft hoffen nun darauf, dass hier tatsächlich ein dialogischer Umschlagplatz entsteht.

Anlass zum Dialog gibt es allemal. Wie etwa gehen die christlichen Kirchen damit um, dass die Gotteshäuser im Osten Deutschlands geschlossen oder umgewidmet werden, während landesweit eine Welle von Bauanträgen für Moscheen auf die Behörden zurollt? Es kann nicht darum gehen, lediglich als Advokat oder Apologet des „christlichen Abendlandes“ aufzutreten. Schließlich hat man diesseits von Minarett und Kirchturm – diesen in Stein gehauenen „Fingerzeigen Gottes“ – ja einiges gemeinsam. Beide Offenbarungsreligionen entstammen dem abrahamitischen Monotheismus, beide wurzeln in Migrationsgeschichten: dem Exodus und der Geschichte der Hedschra.Werden Moslems und Christen darin übereinkommen, dass sie im diesseitsorientierten Industriestaat den Horizont für das Transzendente offenhalten wollen?

Bislang haben nur wenige Theologen oder Religionswissenschaftler einen substantiellen christlich-muslimischen „Dialog“ eröffnet: Hans Küng, Rotraud Wielandt oder Hans Waldenfels. Erst in wenigen Einzelstudien wurden Gottesbild und Offenbarungsbegriff systematisch verglichen. Während die Diffamierung des „dekadenten“ Westens zu einem zentralen Selbstvergewisserungsritual islamistischer Kreise geworden ist, müssen die Christen ihren muslimischen Gesprächpartnern verständlich machen, dass „Säkularität“ nicht auch „Gottlosigkeit“ bedeuten muss. Wünschenswert ist ein „Euro-Islam“: Europa, diese große muslimische Diaspora, wäre das ideale Erprobungsfeld, das wiederum auf die islamischen Länder abstrahlen könnte.

Rund 2600 Moscheen gibt es heute in Deutschland, nur 110 von ihnen sind mit Kuppeln und Minarett eindeutig zu identifizieren. Die Moschee von Marxloh wird weder die letzte sein, noch die größte bleiben. Die angstbesetzten Bilder von „Deutschland unterm Halbmond“ zeigen die Schwierigkeit, nach fünfzig Jahren Gastarbeiteranwerbung in der eigenen Wirklichkeit anzukommen. Tatsächlich, die Welt ist unübersichtlicher geworden, das christlich-humanistische Europa verliert seine Definitionsmacht und muss sein Selbstverständnis neu überdenken. Warum auch nicht.

Angesichts eines Moscheebaus kann man die Kirche jedenfalls getrost im Dorf lassen. Manch einer stört sich am Weckruf des Muezzins. Aber wohnt nicht gerade diesem Ruf eine Schönheit inne, die es mit dem Glockengeläut aufnehmen kann? Die Musik der einen wie der anderen Provenienz kann uns aus unseren Traumgespinsten hervorlocken – auf dem Weg zu einer hellwachen Spiritualität.

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