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Im Profil. Wer mehr von Moses Mendelssohn (hier um 1770) sehen, lesen und verstehen möchte, kann noch bis zum 4. April 2013 die Ausstellung "Moses Mendelssohn: Freunde, Feinde und Familie" im Centrum Judaicum (Oranienburger Str. 28-30, 10-18 Uhr, Fr 10-14 Uhr) besuchen.

© Stiftung Neue Synagoge Berlin / Centrum Judaicum

Moses Mendelssohn: Ungläubig gläubig

Netzwerker der Aufklärung: Eine Ausstellung zu Moses Mendelssohn.

Das Fritzenjahr hatte auch sein Gutes: Es erinnerte nicht nur an den schrägsten Vogel auf dem Preußenthron, sondern auch an die Berliner Aufklärung, die eine Kulturleistung selbstbewusster Bürger war. Wie fremd deren intellektuelle Emanzipation dem Philosophen von Sanssouci blieb, beweist seine Verachtung für Moses Mendelssohn. Friedrich der Große blockierte dessen Wahl in die Akademie der Wissenschaften, obwohl Mendelssohn 1763 mit seiner Abhandlung „Über die Evidenz der metaphysischen Wissenschaften“ den 1. Preis der Akademie gewonnen hatte, noch vor Immanuel Kant.

Gegen Mendelssohn sprach, dass er sich zur deutschen Sprache der Bürger bekannte und Jude war. Mittellos kam er mit dreizehn Jahren aus Dessau nach Berlin, jederzeit hätte er als Ausländer ohne Aufenthaltsrecht abgeschoben werden können. Seine Bewunderer in der Akademie trotzten dem König lediglich ab, dass Mendelssohn ein außerordentliches Bleiberecht erhielt – das jedoch seine Familie ausschloss.

„Freunde, Feinde und Familie“ lautet der Titel der Moses-Mendelssohn-Ausstellung im Judaicum, veranlasst durch seinen 250. Hochzeitstag. Aus der ungewöhnlichen Liebesehe mit Fromet Gugenheim ging eine heute in alle Welt zerstreute Familie hervor, zu der viele Künstler, Gelehrte und Unternehmer zählen. Die Ausstellung beschränkt sich auf den Stammvater und seine Zeitgenossen, würdigt einmal mehr die Freundschaft mit Lessing und Nicolai. Mendelssohn wurde von Nicolai nicht nur gedruckt, er verschaffte ihm auch Kredite, damit sein Aufklärungsverlag nicht pleiteging.

Ein anderes Schriftstück listet auf, dass der Kaufmann Simon Veit Waren der Königlichen Porzellanmanufaktur im Wert von 300 Talern exportiert habe. Im Gegenzug erlaubte ihm Friedrichs Bürokratie, die älteste Mendelssohn-Tochter Brendel zu heiraten.Doch Brendel brannte mit dem jungen Literaturkritiker Friedrich Schlegel durch, nannte sich fortan Dorothea und wurde militante Katholikin. „An Mendelssohns Töchtern zeigten sich die Grenzen der Aufklärung“, konstatiert Kuratorin Eva-Maria Thimme.

Dass dieser verwachsene kleine Mann zugleich gläubiger Jude und aufgeklärter Denker, erfolgreicher Geschäftsmann und Feingeist war, verwirrte schon die Zeitgenossen. Er machte sich Feinde unter sturköpfigen Aufklärern wie jüdischen Religionsgelehrten, die seine Bibel- und Psalmenübersetzungen für Teufelszeug hielten. „Wer die Bücher der Philosophen liest, der öffnet sein Herz der Zweifelsucht und dem Unglauben“, zitiert die Ausstellung das Urteil eines frommen Chassiden.

Kein Schnee von gestern: In Osteuropa habe er strenggläubige Juden getroffen, in deren Haus der Name Mendelssohn bis heute nicht ausgesprochen werden dürfe, erzählt Hermann Simon, der Direktor des Centrum Judaicum. Selbst in der hiesigen jüdischen Gemeinde gibt es Vorbehalte gegen den Mann, der zuerst die Sprachlosigkeit zwischen Juden und Nichtjuden in Berlin überwand. So dauerte es 17 Jahre, ehe die Schule in der Großen Hamburger Straße sich vergangenen Sommer in „Jüdisches Gymnasium Moses Mendelssohn“ umbenennen durfte.

Die Ausstellung im Centrum Judaicum ist zu klein, um das Reizthema Mendelssohn auszureizen, auch zu einem Katalog haben die Mittel nicht gereicht. Schade. Dafür ist die Dauerausstellung nun um ein bizarres Zeugnis der Mendelssohn-Verehrung reicher: Nach der Reichsgründung von 1870/71 ließen Nachfahren für ihre Charlottenburger Villa mehrere patriotische Wandbilder im altdeutschen Stil malen, auf einem ist ein buckliger Greis auf Krücken zu sehen, der die Züge des Philosophen trägt. Ein Brautzug von Jungfrauen mit Siegerkränzen zieht an ihm vorüber, einer Gruppe geharnischter christlicher Krieger entgegen.

Ausstellung "Moses Mendelssohn - Freunde, Feinde und Familie, bis 4. April im Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28-30, 10-18 Uhr, Fr 10-14 Uhr

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