zum Hauptinhalt
Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister in Berlin.

© DAVIDS/Gregor Fischer

Motörhead live in Berlin: Härte und Grandiosität

Lemmy sieht schmal aus, doch Motörhead brettern in der ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle fulminant durch ihr Programm aus schnellen, reduzierten Songs.

Für das, was Lemmy da macht, gibt es keine Worte mehr. Sie scheinen auch ihm selbst ausgegangen zu sein. Das Kinn gereckt, röhrt er ins Mikrofon seine heiseren Episteln. Über schwarze Reiter, die einem in den Rücken schießen. Weil: Die Welt ist hinterhältig. Es sei Selbstmord, vom Stolz allein zu leben, brüllt er. Aber man muss solche Zeilen kennen, um zu wissen, worum es geht, denn Lemmys unnachahmliches Rockröcheln entzieht der Sprache von jeher sämtliche Konsonanten und allen Sinn. Man versteht nichts. Diese Musik ist sich in ihrer Bedeutung stets selbst genug gewesen.

Und was für eine infernalische Radaubande Motörhead noch immer ist. Seit beinahe vierzig Jahren gibt es das englische Trio um Bassist und Sänger Lemmy Kilmister, 68, bereits. Aber als die Tournee im Frühjahr wegen gesundheitlicher Probleme ihres Frontmanns und Gründers abgesagt werden musste, stand zu befürchten, dass auch diese Geschichte zu Ende gehen könnte, vielleicht ziemlich bald. Nun hat Lemmy es mit 68 Jahren doch zurück auf die Bühne geschafft.

Schmal sieht er aus, abgekämpft. Aus dem hünenhaften, breitbeinigen Rocker droht ein staksendes Männchen zu werden, an dessen legendäre Unkaputtbarkeit nur noch sein Krakeelen erinnert. Der schwarze Outlaw-Hut auf dem Kopf wirkt wie eine Torte, die bestellt und nicht abgeholt wurde. Aber der Mann darunter zeigt Größe. Er ist schon immer ein Minimalist des Rock gewesen. Keine Geste zu viel, ein paar knappe Handzeichen, das war’s. Und seine Band, zu der seit den frühen Neunzigern unverändert Gitarrist Wizzö Campbell und Drummer Mikkey Dee gehören, brettert durch ein Programm aus schnellen und hyperschnellen Rocksongs, an denen nichts ist außer ein knappes Riff und die Variation irgendeines Rockbeats. Man kennt das alles. Und man kennt es auch wieder nicht, denn in dieser Reduktion aufs Wesentliche entwickelt Motörheads Rezeptur der Härte ihre ganz eigene Grandiosität.

Eigentlich ist ihr Krach Nicht-Musik. Sie ist: nicht klug, nicht durchs Gestenrepertoire des Heavy-Metal versaut, nicht halb so finster, wie sie sich gibt, nicht elegant und bedeutsam, nicht vulgär. Sie ist so vieles vor allem nicht, dass es schwerfällt das Positive zu erkennen, das sie ausmacht. In der ausverkauften Max-Schmeling-Halle tobt das Publikum. In wilden Wirbeln krachen vor der Bühne stämmige Typen mit Zwirbelbärten und Lederkutten auf schmächtige Studenten, denen der Pony ins Gesicht rutscht. Sie stoßen einander und tanzen zu Songs, die zum überwiegenden Teil noch in den siebziger Jahren entstanden, aber nicht altern können, weil sie in ihrer teuflischen Reduktion auf Lärm und Speed und Dreck auch jeder Stilistik entsagen.

Nach nicht einmal einer Stunde, nach „Ace of Spades“ und „Overkill“ ist Schluss. Campbell hat seine Gitarrensoli gehabt, und Dee donnernde Double-Bassdrum-Gewitter losgetreten. Und Lemmy? Er war da. Das war wahrscheinlich das Wichtigste.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false