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Die amerikanische Rockband Mudhoney.

© Promo

Mudhoney live in Berlin: Kraft und Krach

Die Grungerock-Pioniere Mudhoney werfen sich im Berliner Lido mit großer Hingabe in ihre bohrenden Soundscapes und halb betäubten Exzesse.

Mudhoney erinnern an schöne Momente der Vergangenheit, kleine Niemandsländer von ein paar Tagen oder Wochen, Zeiten ohne Schlaf, ein Leben ohne Gesetz und Naturgesetz – jedenfalls wird einem nie schlecht. Kurt Cobain ist tot und die langen Haare sind ab, aber das große Kopfschütteln ist noch nicht vorbei und aus der Ferne raunzt einen Mark Arm an, Sänger der Band, die mit „Touch Me I’m Sick“ den stilbildenden Grunge-Klassiker geschrieben hat. 1988, drei Jahre bevor „Nevermind“ von Nirvana wie ein Meteorit im Popuniversum einschlug, schleuderten Mudhoney ihre epochale Debüt- EP „Superfuzz Bigmuff“ in die Welt und legten damit den Grundstein für eine Rockmusik, die eine ganze Generation neu definiert hat. Noch vor dem Mauerfall trat die Band aus Seattle bei den Berlin Independence Days auf, mit jugendlichem Übermut und wehendem Langhaar.

28 Jahre später wartet im Lido die hiesige Fangemeinde, um zu überprüfen, ob die Grunge-Veteranen noch mit alter Kraft ihren überfallartigen Krach praktizieren. „Guten Abend, meine Damen und Herren“, begrüßt Mark Arm die Fans, sonst klingt alles wie gehabt: Die Rhythmusgruppe um den 2001 hinzugekommenen Bassisten Guy Maddison und den phänomenalen Wirbelsturmtrommler Dan Peters baut ordentlich Druck auf, Steve Turner verknotet das Gerumpel mit energisch sägenden Gitarren-Fuzz-Attacken, während Arm die zweite Gitarre schüttelt und sich mit ungebrochener Rabauken- Identität durch die ewigen Zweifel nölt, die einen Garagenrocker im Umgang mit sich selbst und der schnöden Welt so umtreiben.

Alte Hits und ein paar Songs vom letzten Album

Dabei kommt zum Tragen, was die Band stets ausgezeichnet hat: Obwohl definitiv Punkrock, bescheiden sich Mudhoney nicht mit dem Drei-Akkord- Schema, sondern leiern es nach allen Seiten aus, um dann das Ausgeleierte wieder einzukochen, sodass sie am Ende als originäre Grunge-Ästheten dastehen, die noch mal demonstrieren, wie Punkrock eigentlich gemeint gewesen ist. In ihren technischen Fähigkeiten durchaus limitiert, schmeißt sich die Band mit grandioser Hingabe in die Drehungen und Wendungen ihrer bohrenden Soundscapes und halb betäubten Exzesse. Neben einigen neueren Songs wie dem an Bowie erinnernden „What To Do With The Neutral“ vom letzten Album „Vanishing Point“ (2013) enthält die Setlist auch die alten Klopper, die tief in die Körper ihrer Anhänger eingedrungen sind und sich dort abgelagert haben: „Suck You Dry“, „Sweet Young Thing“, „In ’N Out Of Grace“ und natürlich „Touch Me I’m Sick“.

Hundert Minuten dauert der Spaß. Ein unvergesslicher Abend in einer hochprozentigen Wolke aus Schweiß und Bier, mit herzergreifenden Harmoniegesängen und anderen liebevoll hingebretterten Erinnerungen. Smells like Teen Spirit? No, it’s Mudhoney! Schön zu hören, dass es das noch gibt und sich regt, wenn man es braucht.

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