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München: Bewegende Eröffnung der neuen Hauptsynagoge

Vor genau 68 Jahren war Charlotte Knobloch in München Zeugin der brutalen Zerstörung jüdischen Lebens geworden - jetzt eröffnet sie als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern im Herzen der Stadt einen der größten Synagogenneubauten Europas.

München - Der Hausherrin des Neubaus ist anzumerken, wie bewegt sie ist. "Wer nachts geträumt hat und am Morgen aufwacht, merkt recht schnell, dass er geträumt hat. Von heute an werde ich jeden Morgen aufwachen und feststellen, dass mein Traum Wirklichkeit ist", sagt die 74-Jährige an diesem Nachmittag beim Festakt zur Eröffnung.

Knoblochs Rede ist der emotionale Höhepunkt einer bewegenden und beeindruckenden Eröffnungsfeier. Mit zitternder Stimme schildert die Präsidentin des Zentralrats der Juden ihre Erinnerungen an den Nazi-Terror, die sich ihr ins Gedächtnis gegraben haben: Wie sie als sechsjähriges Mädchen am 10. November 1938 an der Hand ihres Vaters die Folgen der Verwüstung der vorangegangenen Reichspogromnacht beobachtete: "Die Fensterscheiben der jüdischen Geschäfte waren zertrümmert, die Synagoge an Herzog-Rudolf-Straße qualmte noch. Ich hatte Angst, und die Zukunft hatte für mich aufgehört zu existieren."

Und doch sollte die Zukunft sieben Jahrzehnte später eine damals unvorstellbare Renaissance des jüdischen Lebens in München bringen. Für Knobloch schließt sich an diesem 68. Jahrestag der Reichspogromnacht ein Kreis, als sie symbolisch die Schlüssel zur neuen Synagoge einem kleinen Jungen überreicht, "der heute etwa in dem Alter ist wie ich an jenem grauenvollen Tag". Knobloch betont: "In dieser kleinen Geste, im Überreichen unseres neuen Synagogen-Schlüssels liegt für mich das größte Versprechen der Zukunft. Das ist die Botschaft des 9. November 2006: Wir Juden sind wieder Teil des Landes."

Knoblochs Einsatz hat Früchte getragen

Die wichtige Stellung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland dokumentiert auch die Anweseinheit der Spitzenvertreter von Staat, Land, Stadt und Kirchen bei der Eröffnung. Unter den 1200 geladenen Gästen befinden sich neben Vertretern jüdischer Organisationen auch Bundespräsident Horst Köhler, Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der Münchner Kardinal Friedrich Wetter und der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich.

Als zum Gesang des Jerusalem Great Synagogue Choir die Thora-Rollen feierlich in die neue Synagoge gebracht und eingehoben werden, kann Knobloch die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihr unermüdlicher Einsatz der vergangenen Jahr hat Früchte getragen: Die Juden sind wieder im Herzen Münchens angekommen.

"Diskutieren, lachen, streiten Sie mit uns!"

Die geladenen Gäste, aber auch die Zuschauer der Live-Übertragung im Fernsehen, bekommen durch die Zeremonie, die religiösen Gesänge und Riten schon einmal einen Vorgeschmack darauf, welch große geistige und kulturelle Bereicherung diese Rückkehr jüdischen Lebens in die Münchner Altstadt bringen wird. Im nächsten Jahr sollen nach und nach mehrere jüdische Einrichtungen im neuen Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz konzentriert werden: ein koscheres Restaurant, eine Grundschule, ein Kindergarten, ein Jugend- und Kulturzentrum, das Rabbinat sowie Verwaltungsräume. Im März eröffnet die Stadt München außerdem ihr Jüdisches Museum auf dem Platz.

Knobloch wünscht sich ein reges Miteinander von Juden und Nicht-Juden in und rund um das neue Gemeindezentrum. Ihr leidenschaftlicher Appell an die Münchner und Gäste aus aller Welt lautet: "Seien Sie unsere Gäste. Kommen Sie und lernen ein heterogenes, vitales Judentum kennen. Diskutieren, lachen, streiten Sie mit uns! Leben Sie mit uns!" (Von Petr Jerabek, ddp)

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