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Kultur: Münchner Konferenz: "Für die Nato ist sicher eine Reform nötig"

Dan Coats (58) wurde am 7. September 2001 US-Botschafter in Deutschland.

Dan Coats (58) wurde am 7. September 2001 US-Botschafter in Deutschland. Der Presbyterianer diente nach dem College beim Heer, studierte Jura, arbeitete in der Versicherungswirtschaft und später für den Abgeordneten Dan Quayle. Diesen ersetzte er im "House of Representatives", später im Senat, als Quayle in der Regierung von Bush senior Vizepräsident wurde. Coats gilt als streng religiös und konservativ.

Ist dies die Lehre aus Afghanistan: Amerika siegreich, die Nato überflüssig, Europa rettungslos zurückgeblieben?

Es stimmt auf jeden Fall, dass wir gegenwärtig feststellen müssen: Die Schere geht auf, nicht zu. Langfristig muss die Nato sich deshalb darüber im Klaren werden, wie wir den technischen Abstand zwischen uns Amerikanern und den europäischen Partnern minimieren und gleichzeitig das garantieren können, was den schönen Namen Interoperationalität trägt, also die Fähigkeit zur gleichberechtigten Zusammenarbeit auf demselben Standard.

Wie können wir den Technologie-Vorsprung der USA verkürzen?

Rasche Reaktionsfähigkeit und gemeinsames Operieren, darauf kommt es an. Dies bedeutet nicht, dass jeder dasselbe beitragen muss. Man muss sich das eher wie ein Puzzle vorstellen, wo jeder seine Komponenten zur Verfügung stellt. Aber dies alles erfordert eindeutig die Bereitschaft zur ausreichenden Finanzierung.

Taugt die Nato zum Terrorkrieg?

Um festzulegen, wer gegen die Bedrohungen der Zukunft exakt was machen soll, ist sicher eine Reform nötig. Künftig wird die Nato in noch stärkerem Maße das Militärische mit dem Politischen verknüpfen.

Rein militärisch braucht man das Bündnis also nicht?

Militärisch könnte man das eine oder andere auch rein bilateral erreichen. Aber uns stehen viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, wenn wir multilateral herangehen. Natürlich war die Nato im strikt militärischen Sinne für die spezifische Etappe des Kampfes gegen den Terror, die in Afghanistan stattfand - und noch stattfindet -, nicht nötig. Aber auch im Militärischen übersteigen die Möglichkeiten der Nato ja das, was die USA in Afghanistan tun. Der Schutz der Übergangsregierung wird am besten eben nicht durch die USA geleistet - weil wir Kombattanten sind. Dieselbe kollektive Anstrengung sehen wir auf dem Balkan. Theoretisch hätten wir das alles allein machen können, aber wünschenswert ist das nicht. Die Nato wird auch künftig im Kampf gegen den Terrorismus von unbestreitbarer Notwendigkeit sein.

Gewünscht wird eine zweite Nato-Osterweiterung. Wer darf mitmachen?

Die USA haben eine klare Haltung: keine Namen, keine Zahlen. Wir unterstützen die Erweiterung und wir glauben, dass niemand aus politischen Gründen ausgeschlossen werden sollte. Eine Reihe von Ländern werden sorgfältig dahingehend überprüft, welche Fähigkeiten sie mitbringen. Ich würde mal raten, dass es eher eine größere, denn eine kleinere Erweiterung wird.

Größer - also inklusive der Balten?

Vor ein paar Monaten war eine Mitgliedschaft der Balten noch wesentlich fraglicher als heute. Die russische Reaktion war nicht die erwartete kräftige Gegenrede.

Entschieden wird Ende dieses Jahres in Prag. Wir sollen ohne Festlegung hineingehen?

In solchen Dingen gibt es meist, ganz ohne Formalitäten, einen informellen Kern-Konsens. Ich glaube nicht, dass es in Prag sehr dramatisch werden wird.

Verstehen Sie Europas Erregung über die Gefangenen-Fotos aus Guantanamo?

Nicht ganz. Zu viele haben zu schnell geurteilt, statt präzise nachzufragen. Da wurden Einschätzungen abgegeben auf der Grundlage dessen, was Leute glaubten zu sehen, statt auf der Grundlage dessen, was die Fotos zeigten. Ich hätte mir etwas mehr Geduld erwünscht.

Amerika ist überfordert?

Wir haben eine Situation, die nicht dem entspricht, für was die Genfer Konvention geschrieben wurde. Wir bieten allen Inhaftierten humane, anständige Bedingungen, und wir werden allen ein faires juristisches Verfahren eröffnen.

Europa und die USA interpretieren die Menschenrechte anscheinend verschieden.

Ich räume ein, dass es ein Wahrnehmungsproblem gibt. Wir versuchen, den richtigen Weg zu finden. Eines gab es jedenfalls - entgegen allen Eindrücken - nicht: eine harte und schnelle Entscheidung der US-Regierung über den Status der Internierten.

Diese sollen verhört werden. Wären sie Kriegsgefangene, dürften die USA das nicht. Ist der Wunsch, sie zu verhören, ein legitimes Kriterium bei der Festlegung ihres Status?

Es ist legitim, dies als eines der Kriterien heranzuziehen. Bedenken Sie: Tausende Terroristen sind nicht dingfest gemacht worden. Manche mögen sogar Zugang zu Massenvernichtungswaffen haben. Wir müssen einen Ausgleich finden: der Schutz der Bevölkerung der USA und aller unserer Verbündeten einerseits und angemessene Bedingungen für die Inhaftierten andererseits. Dies ist alles neu für uns. Wir mussten solche Fragen nie in einem solch schrecklichen Kontext beantworten. Deshalb brauchen wir Zeit. Wir debattieren dies ja selbst innerhalb der engsten Beraterstäbe von Präsident Bush, was deutlich machen sollte, wie ernst und wie sorgfältig wir prüfen.

Transatlantisch gibt es nicht nur Debatten über die Funktion der Nato, sondern auch endlosen Streit über Handelshemmnisse.

Es wird immer Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU geben. Glücklicherweise haben wir ein klares Verfahren, wie wir zu Schlichtungsergebnissen kommen. Da spielt die Welthandelsorganisation WTO die entscheidende Rolle. Nur sollten WTO-Entscheidungen uns nicht daran hindern, auch direkt Lösungen herbeizuverhandeln, Übergangsfristen zu vereinbaren, nach der Devise "give and take" vorzugehen. Da kann der große Hammer WTO hilfreich sein, aber Strafsanktionen sind sicher nicht im besten Interesse des freien Welthandels und unserer Länder.

Um die Technologie-Lücke zu schließen, baut Europa seinen eigenen Airbus-Militärtransporter 400 M. Begrüßen Sie das?

Wir haben selbst ein eigenes Flugzeug, das nicht nur sofort erhältlich ist, sondern auch absolut in der Lage ist, den europäischen Bedürfnissen zu genügen. Europa riskiert mit dem Airbus eine Verzögerung bis in die weite Zukunft, ehe das erste Flugzeug ausgeliefert wird, und wir wissen ja auch, wie wenig verlässlich solche Fristen sind. Die Europäer sollten sich sehr ernsthaft überlegen, ob sie nicht ein Flugzeug nutzen, das allen Anforderungen genügt und bezahlbar ist, und das darüber hinaus die Interoperationalität sicherstellt. Die technologische Schere zu schließen, heißt ja nicht, dass jeder alles selbst herstellen muss.

Ist dies die Lehre aus Afghanistan: Amerika siegre

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