zum Hauptinhalt

Kultur: Müssen immer weitermachen

Als sich die amerikanische Indierockband Pixies im Jahr 2004 wieder zusammenfand, bezeichnete sie ihre Comeback-Tour als „Sellout-Tour“. So stand es genauso selbstironisch wie wahrheitsgemäß (man brauchte tatsächlich Geld!

Als sich die amerikanische Indierockband Pixies im Jahr 2004 wieder zusammenfand, bezeichnete sie ihre Comeback-Tour als „Sellout-Tour“. So stand es genauso selbstironisch wie wahrheitsgemäß (man brauchte tatsächlich Geld!) auf T-Shirts, die während der Tour verkauft wurden. Auf dieser schnöden Resterampe-Tour, so muss man mutmaßen, befindet sich die Band, die ihre große Zeit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre hatte, immer noch – vor ein paar Tagen spielte sie zwei Konzerte im Berliner Huxleys und bestritt diese mit vorwiegend altem Songmaterial.(siehe Tsp 10.10.)

Nun ist es inzwischen gang und gäbe, dass alte Indierockhelden, speziell jene der neunziger Jahre, partout nicht aufhören können oder sich aus pekuniären Gründen wiedervereinigen. Das Problem für alte Fans besteht darin, dass die Kraft der sentimentalen Erinnerung sich schnell erschöpft. War das Pixies-Konzert 2004 in der Wuhlheide ein mitunter tolles, zu Tränen rührendes Ereignis, so fragte man sich dieses Mal: Was soll das denn nun schon wieder?

Das womöglich noch gewichtigere Problem haben die alten Indiehelden, die immer weitermachen oder zumindest nicht ganz so faul sind wie die Pixies: Die Notwendigkeit, Musik zu machen, die nichts mit Geld zu tun hat, ist verloren gegangen; der kreative Drang ist weg, kurzum: die alte Magie. Sagen wir bei Guided By Voices, die 2012 nach ihrem Comebackalbum „Let´s go eat the factory“ gleich drei weitere neue Alben folgen ließen (ein weiteres ist für 2014 angekündigt, „Motivational Jumpsuit“). Diese Alben hätten auch zur hohen Lo-Fidelity-Zeit der neunziger Jahre rauskommen können. Oder Mazzy Star, die sich zwar gleich 17 Jahre Zeit mit einem neuen Album ließen, aber darauf auch immer noch so klingen, als seien diese 17 Jahre nie vergangen.

Man kennt das nicht zuletzt von den doch mittelmäßigen Solokarrieren, die viele Musiker einst erfolgreicher, wegweisender Bands so machen. Sagen wir, um beim US-Indierock zu bleiben, Lou Barlow und J. Mascis von Dinosaur jr.. Die spielten jahrelang allein ihren Stiefel (Barlow u.a. als Sebadoh und Sentridoh, J. Mascis als J. Mascis) und veröffentlichen seit 2005 wieder zusammen Dinosaur-jr.-Alben. Nur Meilensteine wie „You’ re living all over me“ (1987) oder „Bug“ (1988) bekommen sie nicht mehr hin.

Ach ja, auch Lee Ranaldo hat schon wieder ein neues Album veröffentlicht. Seit der Trennung von Kim Gordon und Thurston Moore und dem Sonic-Youth-Split ist der einstige Gitarrist der Band verstärkt auf sich allein gestellt. „Last Night On Earth“ heißt dieses Album, das zwar hübsch altmännergniedelrockig geraten ist. Das aber sofort auch an Moores letzte Soloalben oder Gordons traurigen Retrokrach-Auftritt vor Jahresfrist im Berghain erinnert und keinen anderen Schluss zulässt als diesen: Gemeinsam wart ihr stärker!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false