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Kultur: Muhabbet

Diese Woche auf Platz 33 mit: „Ich will nicht gehn“

„Gehn“ kann man nur schwer schreiben. Kaum eingetippt, verbessert die Textverarbeitung „Gehn“ beharrlich in „Gehen“. Auch der Duden kennt diese gesprochene Form nicht. Kulturpessimisten wittern da vermutlich schon Pisa- oder Rütli-Schulen-Deutsch. Aber Belehrungen sind unangebracht. Nicht nur wegen schwankender Rechtschreibreformen müssn wa uns da wohl escht dran gewöhn. Denn turko-germanischer Pop ist gewaltig im Kommen. Das zeigte schon die unbedarfte Ohrschmerz-Schnulze „Sonnenlischt“, pardon: „Sonnenlicht“ der pickeligen Jungs von Grup Tekkan. Muhabbet ist endlich einer, der nicht mit Aggro- Dumpf-Deutsch um sich spuckt, sondern ganze Sätze bilden kann. Er hatte seinen ersten Hit „Sie liegt in meinen Armen“ ursprünglich gratis ins Netz gestellt, was wieder einmal beweist: Was man gibt, kommt zurück. Dass Muhabbets zweite Single, „Ich will nicht gehn“ und sein heute erscheinendes Debütalbum bei der BMG veröffentlicht werden, hat weitere triftige Gründe. Der 21-jährige Kölner taugt bestens als Vorbild und Integrationsfigur – und hat davor auch keine Angst. In seinen Videos wehen deutsche und türkische Fahnen. Außerdem hat Muhabbet ein originelles Konzept: Er verbindet modernen R’n’B mit Arabesk, dem traditionellen türkischen Schlager. Die Texte? Okay, manchmal süßlich und triefend wie Baklava. Aber eben deshalb braucht es wenig prophetische Gabe, Muhabbets Album „R’n’Besk“ nächste Woche in den Top 20 zu sehen.

Ralph Geisenhanslüke

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