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Islamisch? Eher: luxuriös! Olifanten wie dieser waren einst im gesamten Mittelmeerraum begehrt.

© Brockschmidt

Museum für Islamische Kunst: Kultur ist Austausch

Grenzenlos: das Museum für Islamische Kunst zeigt Objekte, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Dabei sollte sich der Zuschauer nicht vom sperrigen Ausstellungstitel abschrecken lassen.

Wer in diesen Tagen das Museum für Islamische Kunst besucht, muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Denn vieles hier ist nicht, was es vorgibt zu sein. Da ist etwa eine wunderschöne Gebetsnische aus dem 13. Jahrhundert, ein Prachtstück islamischer Baukeramik mit der charakteristischen Stalaktitenwölbung. An einer anderen Wand findet sich eine ganz ähnliche Nische. Aber: Sie stammt nicht aus einer Moschee, sondern aus dem Haus eines Samaritaners, eines Angehörigen einer jüdischen Sekte, im 15. Jahrhundert. Der hatte wohl einfach Geschmack an der Form der Nische gefunden und eine solche in sein Haus in Damaskus einbauen lassen.

Diese neue Information verdanken wir dem Forschungsprojekt „Gegenstände des Transfers“ der Freien Universität, das mit einem Parcours durch die Dauerausstellung des Museums neue Fragen stellt. Unter dem Titel „Transkulturelle Beziehungen, globale Biografien – islamische Kunst?“ haben die Forscherinnen die Zusammenhänge zu 15 Objekten ausführlicher erklärt, Querverweise angebracht und so die Grenzen des Museums und des vorgegebenen Kulturraums gesprengt.

Ein anderer Fall: Warum ist der Olifant, das kostbar verzierte Elfenbeinsignalhorn, im Museum für Islamische Kunst ausgestellt, während ein ganz ähnliches Objekt im Museum für Byzantinische Kunst zu bewundern ist – und ein weiteres im Deutschen Historischen Museum? Die Wissenschaftler wissen nicht, woher die Objekte kommen. Sie wissen nur, dass sie im 10. bis 12. Jahrhundert im gesamten Mittelmeerraum begehrt waren. „Luxusgut“ wäre die umfassendere Kategorie – und nicht „islamisch“.

Faszinierende Ereignisse und künstlerische Intervention

Blaue Pfeile auf dem Boden geben Hinweise auf die beiden anderen erwähnten Museen – mit Entfernungsangabe. Dort finden sich ebenfalls solche Pfeile, die auf das Museum für Islamische Kunst verweisen. So werden Verbindungslinien zwischen den Berliner Sammlungen geschaffen, die die Willkürlichkeit der Einteilung oder den fließenden Übergang von einem Kulturraum in den anderen unterstreichen.

Der Besucher merkt von Station zu Station, die mal zum Mitmachen einlädt, mal mit Videos aufklärt oder über einen QR-Code weitere Informationen auf das Smartphone gibt, dass der Name „Museum für Islamische Kunst“ Probleme birgt. Denn die Wirklichkeit, die diese Objekte erzählen, ist vielfältiger, fließender und grenzüberschreitender, als es die Einteilung des 19. Jahrhunderts vorgibt.

Die Interventionen zeigen auch, dass es die Grenze zwischen „denen“ und „uns“ gar nicht gibt. Kulturen und ihre Artefakte, ihr Wissen und ihre Moden, sind und waren ständig in Bewegung, färben aufeinander ab. So wurde die chinesische Keramik im heutigen Irak imitiert, aber mit neuen Farben versehen, weiß und blau, die später wiederum die Chinesen dazu veranlasste, ihr später berühmtes Porzellan weiß und blau zu halten, was den Niederländern dann im 17. Jahrhundert beim Versuch der Imitation das immerhin ebenfalls kostbare „Delfter Blau“ bescherte – das heute in Asien als Billigporzellan für den niederländischen Souvenirmarkt produziert wird.

Man sollte sich nicht von dem sperrigen Titel abschrecken, sondern von den faszinierenden Ergebnissen dieser Interventionen verführen lassen, das Museum und seinen Inhalt mit neuen Augen zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass diese Art von Erkenntnissen und Vermittlung in die Neugestaltung des Museums für Islamische Kunst einfließt.

Eine prächtige und sehenswerte Online-Version der Schau finden Sie unter: www.objects-in-transfer.sfb-episteme.de

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