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Museum Ludwig: Anleitung zum Sesshaftsein

Das Museum Ludwig in Köln ehrt den Wiener Künstler Franz West.

Auf bunt behängten Diwane dösen. In Kabinen mit merkwürdigen Kunstgebilden hantieren. Oder extra pikant: Hinterm Paravent verschwinden, um alle Kleider abzulegen und sich nach „eigenem Ermessen“ zu verhalten. Franz West weiß wohl, dass er dem Museumsbesucher mit dieser Übung einiges zumutet, und schickt deshalb per Wandtext noch eine Empfehlung hinterher: Man solle dem Aufseher Bescheid sagen, damit der niemanden hinter den Schutzschirm schauen lässt.

Es ist keine übliche Ausstellung, die das Museum Ludwig da eingerichtet hat. Mit rund 40 Collagen, Übermalungen, Objekten, Installationen gelingt es dem Kölner Haus, einem Künstler näher zu rücken, der sich kaum auf einen Begriff bringen lässt. Zumindest eines ist sicher: Franz West ist einer von denen, die den Betrachter zum Mitmachen animieren. Einer, der Kunst und Leben ganz eng zusammenbringen will. Das ist natürlich nichts Neues. Und es war auch nicht neu, als West in den siebziger Jahren damit anfing. Unverwechselbar sind aber die Wege, auf denen er den herkömmlichen Kunstbegriff unterlief.

Mit leiser Stimme und wienerischem Zungenschlag erzählte der ältere Herr, wie er des bloßen musealen Anschauens überdrüssig wurde. Er wollte Kunst zum Anfassen. Unter dem Eindruck des Wiener Aktionismus und seinen bluttriefenden Spektakeln entwickelte der 1947 geborene West seine viel dezentere Art der Aktionskunst und schwang sich damit zu einem der wichtigsten Künstler in Österreich auf. Entscheidend für seinen Ansatz: Nicht der Autor, sondern das Publikum musste tätig werden. Und dabei am besten noch den eigenen Körper erfahren.

Anfangs verteilte West – quasi als Vehikel der Selbsterfahrung – eigens gebastelte „Passstücke“ aus Gips, Holz oder Pappmaché. Sie ähneln Kreiseln, Keulen, Beulen, Brocken, konnten dem Körper angehalten, durchs Museum getragen oder in Kabinen vor Spiegeln herumgeschleudert werden. Allerdings nur, bis der Kunstmarkt die Stücke für sich entdeckte und sie an der Wand fixierte oder in Vitrinen abschirmte. Schön, dass im Museum Ludwig nun speziell angefertigte Ausstellungskopien ausliegen und den Umgang wieder möglich machen.

Auch auf des Künstlers Sofas und Sesseln kann man in Köln sitzen – auf den meisten zumindest. Wenn auch nicht sonderlich bequem. Die Möbelstücke sind verschärfte Varianten des West’schen Verwirrspiels von Kunst und Leben. Nebenbei schlagen sie eine Brücke in die späten Neunziger, als West in Köln den Wolfgang-Hahn-Preis erhielt und das Museum Ludwig seine komplette „Kantine“ ankaufte: Schlichte weiße Tische und Stühle auf filigranen Beinen aus Armiereisen. Zwei Jahre möblierten sie das Museumscafé, dann mussten sie weichen, weil sich die Beschwerden von Gästen mit zerrissenen Kleidern mehrten. Für die Retrospektive wurde die ungeliebten Einrichtung noch einmal vorgeholt.

Bei der Rast auf Wests Stühlen, Sesseln, Sofas mögen einem Jorge Pardo, Tobias Rehberger oder Liam Gillick in den Kopf kommen. Stars, die Kunst und Design mit viel Erfolg vermischen. Vielleicht hätte es sie ohne West als Wegbereiter nicht gegeben – eine These der Kuratorin. Beim Keulenschwingen und Kreiseldrehen in Köln lohnt es sich, darüber nachzudenken. Stefanie Stadel

Museum Ludwig, Köln, bis 14. März;

Katalog 29 €, im Buchhandel 39,95 €.

Stefanie StadelD

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