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Museum: Nofretete grüßt Annette

Dialog über Jahrtausende hinweg: „Giacometti, der Ägypter“ im Alten Museum.

Es ist die überraschendste, konzentrierteste, vielleicht schönste Ausstellung des Künstlerreigens – und die unsichtbarste. Die meisten Besucher des Ägyptischen Museums werden sie gar nicht erst wahrnehmen. Der Eingriff ist sehr subtil: Zwölf Skulpturen des Bildhauers Alberto Giacometti haben sich in die Dauerausstellung im Alten Museum geschlichen, sich still und heimlich unter die altägyptischen Skulpturen gemischt, da stehen sie nun, als seien sie immer da gewesen.

Wie stark Giacometti in seiner Kunst von Ägypten beeinflusst war, war bislang nicht absehbar. Sicher, es gibt dieses Zitat, in dem der neunzehnjährige Künstler begeistert aus den Vatikanischen Museen in Rom berichtet: „Wie lebendig sind diese Köpfe, als ob sie blickten oder sprächen.“ Nicht die griechische, nicht die römische und schon gar nicht die Renaissance-Statuen seien für ihn die schönsten, sondern die ägyptischen. Das Buch, das er sich damals in Rom gekauft hat, Hedwig Fechheimers „Die Plastik der Ägypter“, ist in der Ausstellung zu sehen. Immer wieder hat Giacometti am Rande der Abbildungen Zeichnungen angefertigt, hat seine Ikonen des Schreitens entwickelt und anhand des Berliner Grünen Kopfes Symmetrie und Struktur analysiert. Selbst gesehen hat er ihn nie.

So ist es durchaus eine Erstbegegnung, zwischen dem majestätisch-kahlen Grünen Kopf und Giacomettis existenzialistisch-kargen Zeichnungen dazu. Auch sonst sind die Parallelen augenfällig zwischen den ägyptischen Skulpturen und ihren neuzeitlichen Besuchern. Der gleiche majestätisch ausgreifende Schritt der schmalen Figuren auf hohen Sockeln, der gleiche fixierende Blick. Hier wird nicht gegangen, sondern geschritten, nicht gesessen, sondern gethront, nicht gesehen, sondern geschaut. Vor allem aber wird ein imaginärer Raum rund um die Figuren eröffnet – durch die Käfige aus Metallstäben, in denen Dietrich Wildung bei der Neueinrichtung des Ägyptischen Museums seine Schätze unterbrachte. Gerüste, wie sie Francis Bacon gemalt oder Giacometti um seine Schreitenden gebaut hat. Nicht Gefängnis, sondern Konzentration.

Er habe einmal in einem Museum eine Giacometti-Skulptur gesehen, die schräg im Raum aufgestellt war, schildert Wildung sein Urerlebnis, und er habe damals instinktiv gefühlt: Das geht so nicht. Parallel zu den Raumwänden muss sie ausgerichtet sein, so wie es die ägyptischen Figuren von jeher sind. Und nur mühsam habe er der Versuchung widerstanden, die Skulptur in einem unbeobachteten Moment geradezurücken. Und habe sich in seiner Leidenschaft doch lange Zeit allein gefühlt – bis er auf Christian Klemm von der Züricher Giacometti-Stiftung gestoßen sei. In den beiden Museumsfreunden reifte der konspirative Plan, doch einmal die Probe aufs Exempel zu machen.

So stehen sie sich nun gegenüber und messen sich mit Blicken: der Porträtkopf „Annette VI“ mit der Büste der Nofretete, ein Kopf des Bruders Diego mit einer Echnaton-Figur und die große Figur des „Homme qui marche“ mit einer zehn Zentimeter hohen Schreitfigur. Ob Giacomettis Skulpturen stark genug wären, die Konzentration der ägyptischen Skulptur auszuhalten, ob andererseits die Altägypter modern genug seien, über zweitausend Jahre hinweg mit ihnen in einen Dialog zu treten, das waren die Sorgen der Museumsleute. Die Probe wird glänzend bestanden.

Altes Museum, bis 15.2.2009, täglich 10 bis 18 Uhr, Do bis 22 Uhr. Katalog 14,90 €

Christina Tilmann

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