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Musik: Ende, Anfang

Das Jacques Thibaud Trio spielt Musik der Vierziger.

Es ist immer heikel, zwischen Leben und Werk eine direkte Parallele zu ziehen. Doch wie soll man aus den hastenden Geigenläufen, den verzweifelt versehrten mährischen Tänzen, den sehnsuchtsvoll in die Länge gezogenen Halbtönen und leeren Quinten, die Gideon Klein in seinem Streichtrio einsetzt, nicht eine Reflexion des Künstlers über seine Lage im Lager Theresienstadt heraushören? Neun Tage nach Beendigung der Partitur wurde Klein nach Auschwitz gebracht.

Das Berliner Jacques Thibaud Trio, der Geiger Burkhard Maiß, der Bratscher Philip Douvier und der Cellist Bogdan Jianu haben das Werk jetzt zusammen mit Trios von Heitor Villa-Lobos und Schönberg eingespielt. Alle Stücke entstanden Mitte der vierziger Jahre, jeder Komponist musste sich damals die Frage stellen: „Wie hältst du’s mit der Tonalität?“ Eine abschließende Antwort gab es nicht. In der Musik, wie in jeder Kunst, existieren verschiedene Strömungen gleichzeitig nebeneinander. Es ist ein Verdienst der Berliner Konzertagentin Christine Douvier und dem von ihr gegründeten Label Sophia Classics, das hörbar gemacht zu haben. Während Gideon Klein mit einer lebendigen, durchpulsten, fast körperlichen Tonalität arbeitet, ist Arnold Schönbergs Streichtrio von 1946 durchgeistigt, aber deswegen nicht weniger sinnlich, elegant, innig. Dass er mit den brüchigen, versehrten Klängen und enormen Intervallsprüngen eine Herzattacke musikalisch verarbeitet, darauf hat er selbst hingewiesen.

Aber das Werk erschöpft sich nicht in solchen biografischen Bezügen. Es ist konzipiert als Summe von Schönbergs kompositorischem Schaffen. Zärtlich, verdämmernd, ohne Schlusston hört es auf, als könne es kein definitives Ende geben, als müsste man die Instrumente einfach absetzen. Udo Badelt

Jacques Thibaud Trio Berlin, Musik bei Kriegsende 1944–1946, Sophia Classics.

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