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Kultur: Musik in Berlin: Die Stimme bleibt

Wir haben alles getan, um den Abend im Kreuzberger BKA schnell zu vergessen. Wegen all jener Unfertigkeiten von "Ein Stück Mond", über die man sich mit Recht ärgern kann und von denen nachher noch die Rede sein wird.

Wir haben alles getan, um den Abend im Kreuzberger BKA schnell zu vergessen. Wegen all jener Unfertigkeiten von "Ein Stück Mond", über die man sich mit Recht ärgern kann und von denen nachher noch die Rede sein wird. Allein, es klappte nicht, weil es der Stimme von Victor Schefé mit ihrem dunklen Raunen denn doch gelungen war, einen Weg zum Herzen zu finden und dort die friedlich schlummernden Einsamkeits-Melancholien und sachten Glücksgefühle wieder aufzuwecken. Es ist vor allem diese Stimme, die eine Charaktermaske nach der anderen aufsetzt, ohne darüber ihr eigenes Gesicht zu verlieren: Ein leichtes Prononcieren der Konsonanten hier, ein sinnlich-rauchiger Anstrich dort, mehr bräuchte es eigentlich nicht, um vom schnapstrunkenen Elendsidyll des "Säufermondes" zur Nighthawk-Loneliness des "Moon over Bourbon Street" hinüberzuwechseln. Ein großer Chansonnier im Werden, der leider noch in einem Schauspieler steckt.

Denn leider traut Schefé seiner Stimme nicht genug: Es sind kaum mehr als drei Minuten an diesem Abend, an der er wirklich einmal still steht und zulässt, dass die gerade heraufbeschworene Atmosphäre den Raum erfüllen kann. Allein diese letzte Nummer, Rio Reisers träumerischer "Junimond", bringt eine Ahnung von den Möglichkeiten, die der 33-Jährige hat - der Rest sind ruhelose Bewegungsmanie und heillos überzogene Mimik, hinter der letztlich eher Unsicherheit zu stecken scheint. Ein Suchen, das sich auch in Schefés Liedauswahl spiegelt: Den deftigen Bajuwaren nimmt man dem schlaksigen Ben-Becker-Lookalike genauso wenig ab wie den lebensresignierten Whiskey-Desperado; seine Gefühlswelt is weit eher die des poetischen, traurigen Clowns, der versonnen den schillernden Seifenblasen seiner Lieder nachschaut. Schefés Leitthema "Mond" wirkt da eher wie die dramaturgische Bemäntelung eines Stilversuchs, der mehr über seine Vorbilder als über ihn selbst erzählt. Was bleibt, ist die Stimme - und die Hoffnung auf ein neues Programm.

JÖRG KÖNIGSDORF

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