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Kultur: Musik In Berlin: Leichtes schwer

Man merkt es schon an den angespannten Dirigiergesten, mit denen Christian Thielemann die Philharmoniker zu animieren versucht und die bei seinem eigenen Orchester längst einer flüssigeren Körpersprache gewichen sind. Dort, an der Deutschen Oper, folgen ihm die Musiker bedingungslos, hier, in der Philharmonie, muss er überzeugen.

Man merkt es schon an den angespannten Dirigiergesten, mit denen Christian Thielemann die Philharmoniker zu animieren versucht und die bei seinem eigenen Orchester längst einer flüssigeren Körpersprache gewichen sind. Dort, an der Deutschen Oper, folgen ihm die Musiker bedingungslos, hier, in der Philharmonie, muss er überzeugen. Mit Henzes "Fraternité" gelingt das auch: Thielemann geht das kurze, erst vor drei Jahren entstandene Air pour Orchestre mit dem Geist des späten Richard Strauss an, sorgt für eine klangschöne Auffächerung des Henzeschen Stimmfiligrans. Mehr als kunsthandwerklich verbrämte Sentimentalität bietet das Stück allerdings nicht, die Prüfsteine für Thielemann sind ohnehin Mendelssohns "Reformationssinfonie" und Schumanns Zweite. Ein romantisches Doppel, das nicht nur einen Dirigenten, sondern auch einen Künstler braucht.

Doch kommt der Geschichtsfan Thielemann gerade mit der Historizität dieser Musik nicht zurecht: Weder mit Schumanns schon in der Einleitung zur Zweiten programmatisch hervortretendem Rückgriff auf Bach, noch mit Mendelssohns schilderungsfreudigen Glaubens-, Schlacht-und Festbildern aus der Reformationszeit. Statt sich für die Poesie der Romantik zu öffnen, pumpt Thielemann wahlweise Bedeutungsschwere oder propere Agilität in beide Stücke und zerdehnt das Adagio der Schumann-Sinfonie so, dass darüber der liedhaft schlichte, innige Grundton verloren geht. Die Philharmoniker klingen unbeteiligt. Und Thielemann hört man besser dort, wo er sich wohl fühlt.

Jörg Königsdorf

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