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Kultur: MUSIK IN BERLIN: Mönch und Dionysos

"Das Bliesheimer Kreuz" - das klingt nach den sakralen Holzstatuetten, die hier die Landstraßen säumen, nach Schuld und schwer zu tragender Aufgabe.Im Dokumentarfilm von Saskia Walker dagegen erscheint ein schlichtes Autobahnschild, die Abzweigung bei Köln.

"Das Bliesheimer Kreuz" - das klingt nach den sakralen Holzstatuetten, die hier die Landstraßen säumen, nach Schuld und schwer zu tragender Aufgabe.Im Dokumentarfilm von Saskia Walker dagegen erscheint ein schlichtes Autobahnschild, die Abzweigung bei Köln.In dem kleinen Ort Bliesheim wurde Bernd Alois Zimmermann vor achtzig Jahren geboren.In dessen katholischer Enge wuchs er auf, besuchte von dort aus die Klosterschule Steinfeld, war Ministrant, wurde als kaum zwanzigjähriger Musikstudent in den Krieg geschickt.Nicht nur der Film geht auf behutsame, phantasievolle Spurensuche der frühen Jahre; noch weitere authentische Schätze kann das Musikarchiv der Akademie der Künste zum Gedenkjahr präsentieren.Das sind zum einen Dokumente der Sammlungen Siegfried Palm und Günter Wand sowie vom Schottverlag - frühe Briefe und das "Soldaten"-Autograph -, zum anderen der frisch erschienene Band "Du und Ich und Ich und die Welt" - Briefe, Tagebuchnotizen, Kritiken aus dem Zeitraum 1940 - 1950, dazu das noch von Klaus Ebbeke angelegte Inventar der Musikautographie im Zimmermann-Archiv.

Auch die Expertenrunde, die Werner Grünzweig zum "offenen Archiv" in den Clubraum geladen hatte, verdeutlichte die entscheidenden Prägungen der frühen Jahre.Zimmermann war ja nicht auf Anhieb der Komponist der Lenz-Oper "Soldaten", des "Ballet noir", "Musique pour les soupers du Roi Ubu", des "Requiems für einen jungen Dichter".Sein Weg zur Avantgarde war schwer, führte ihn aus dem "geistigen und ästhetischen Vakuum der Nachkriegszeit" über ein neoklassizistisch geprägtes Studium in die Serialismen der "Darmstädter Schule" und wieder hinaus, zu jenem tiefgründig collagierenden, die "Kugelgestalt der Zeit" in der Verfügbarkeit alles Klingenden nutzendem Personalstil, der so häufig als Vorwegnahme von "Polystilistik" und "Postmoderne" mißverstanden wurde.Daß Zimmermann sich für eine expressive, von der Linearität des Mittelalters bestimmte Variante von Zwölftönigkeit entschied, die tonale Zentren nie ganz ausschloß, stellen Rudolph Stephan, Diether de la Motte und Gösta Neuwirth übereinstimmend fest.

Was kann wirklich Auskunft geben über Zimmermanns selbstquälerische Auseinandersetzungen, die 1970 zum Freitod führten? Tiny Wirtz, Mitstreiterin der ersten Stunde, sprach von persönlicher Entwicklung.Erschüttert zeigte sie sich angesichte einiger früh schon tief verzweifelter Tagebuchpassagen.Doch am lebendigsten sprach die "Zeitzeugin" durch ihr Klavierspiel.Entwicklungsmarken und Experimentierfeld sind die Werke von 1949 bis 1956, im Hindemith-Trauerton noch die Suite "Extemporale" befangen, beinahe brahmsisch noch drei uraufgeführte frühe Klavierstücke, die spätere Collagetechnik bereits andeutend das über Volkslieder improvisierende "Capriccio"."Zwischen Mönch und Dionysos" sah Zimmermann sich selbst - dem vitalen Spielwitz folgen die aus dunklen Klangnebeln ausbrechenden "Enchiridion"-Stücke, die karg-rhythmischen "Exerzitien", konsequent mündend in die zerrissenen Extremsprünge und Farbwechsel der "Konfigurationen", denen die Pianistin mit Schumanns "Arabeske" zum nostalgischen Ausblick verhilft.

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